Das Angeln auf einen Zielfisch. Ein Vorhaben, das sehr viel Durchhaltevermögen erfordert und keineswegs immer von Erfolg gekrönt ist. Doch zahlen sich sämtliche Rückschläge und Mühen aus, wenn dieser eine Fisch doch noch endlich im Kescher landet. Nico Schurig nimmt uns mit auf die Jagd nach seinem Zielfisch, die im vergangenen Jahr ein herausragendes Ende fand. Echt mitreißend und spannend – check it out!
Noch lange blickte ich in das tiefschwarze Wasser, das der heftige Nordwind gegen das Ufer drückte. Bereits einige Minuten war die Silhouette des mächtigen Spieglers verblasst und ließ mich an Land zurück. Zurück im absoluten Glücksgefühl, aber auch einem Jahr voller Rückschläge und neuer Erfahrungen…
Das Ziel vor Augen
Nur wenige Stunden zuvor belud ich mein Faltboot. Der Dauerregen und der Umstand, noch weit vor Sonnenaufgang am Wasser zu sein, brachten wiederholte Zweifel mit sich, wobei ich mich fragte, ob ich diese ganzen Strapazen weiterhin auf mich nehmen sollte. Mehrere hundert Kilometer Fahrt pro Woche und unzählige Stunden im Auto, um die beste Location aufzusuchen, waren inzwischen ein fester Bestandteil meiner Angelei geworden – vom Futtereintrag mal ganz abgesehen.
Mit der Kapuze weit im Gesicht hatte ich also meine kleine Reise quer über den See angetreten. Boot ausräumen, Ruten legen, Camp aufbauen – schon lange passierte dies von ganz allein, fast wie in Trance. Dabei habe ich immer die Sinne geschärft und das Ziel vor Augen. Im Nu waren meine beiden Fallen verteilt. Die linke Rute auf dem Futterplatz und die rechte etwas abseits. Jeweils ein einzelner Sinker sollte es richten, war doch der Platz nur wenige Tage zuvor nochmals mit reichlich Futter versorgt worden. Bereits beim Ablegen der ersten Rute signalisierten mir die vielen Sicheln auf dem Echolot, dass die Jungs noch am Fressen waren. Perfekt! Dennoch wusste ich, dass dies kein Garant für einen sicheren Biss war. Unzählige Male ließen mich diese Diebe meine Nächte am Wasser ohne Aufregung verbringen. Leere Futterplätze am Morgen, stumme Bissanzeiger in der Nacht. Alltag. In aller Ruhe bezog ich nach getaner Arbeit mein kleines Domizil. Noch immer prasselte der starke Regen, inzwischen hatte er jedoch etwas beruhigendes, da keinerlei Geräusche von außen zu vernehmen waren.
Fehlbiss – Shit!
Während ich gerade meinen ersten Kaffee genießen wollte, kam auf einmal Bewegung in meine linke Rute – der Futterplatz mit den vielen Sicheln. In Windeseile stand ich mit krummer Rute im Boot und realisierte erst, als es viel zu spät war, dass ich meine Wathose und Regenjacke im Zelt gelassen hatte. Nur mit Latschen an den Füßen und dem Wasser bis zu den Knöcheln, versuchte ich, meinem Kontrahenten Paroli zu bieten. Dieser zog ruhig seine Bahnen unter mir und ich bemerkte leider nicht rechtzeitig genug, welches Ziel er ansteuerte. Noch bevor ich agieren konnte, saß der Fisch bereits im Totholz fest und sprengte sogleich mein Vorfach. Deprimiert und nass bis auf die Knochen ruderte ich zurück zum Ufer. Schnell die Gedanken sammeln, Rute neu legen und dann erstmal in trockene Kleidung.
Ein neuer Plan muss her
Als ich am Mittag meine Spots kontrollierte, erwartete mich ein gewohntes Bild: Leere Futterplätze und keinerlei weitere Aktion. Guter Rat war teuer, denn die Fische kamen nie zwei Nächte in Folge auf die gefütterten Stellen. Aus der vergangenen Location war mir eine freigefressene Kante unweit eines Krautfeldes in Erinnerung geblieben. Dieses Jahr hatte ich diesem Spot bereits einige Nächte mein Vertrauen geschenkt, waren doch meine Futtergaben immer dankbar angenommen worden. Nur einen Fisch konnte ich leider nie zum Landgang überreden. Nach einer Kontrolle mit der Kamera hatte ich Gewissheit: Kahle Stellen und blankes Sediment. Zweifelsohne waren hier vor Kurzem Fische am Fressen. Dies und der Umstand, dass der Wind immer kräftiger wurde, verstärkten meinen Entschluss – hier musste eine Rute liegen. Nur wenige Hände Boilies, die ich zusätzlich mit Liquid Liver und Pacific Mussel Baitpowder verfeinerte, sollten als Beifutter dienen. Ein einzelner Sinker am Kombi-Rig hing unauffällig dazwischen. Voller Zuversicht ging es in die Nacht.
Mein Zielfisch – da ist er endlich
Es muss fast 1 Uhr gewesen sein. Der wolkenverhangene Himmel sowie Dauerregen waren längst gewichen und ein heller Vollmond hatte deren Platz eingenommen. Einige wenige Pieper ließen mich aus dem Schlaf hochschrecken. Bei meinem Blick aus dem Zelt sah ich, wie mein kleiner Swinger am Blank der rechten Rute klebte und sich die Spitze leicht krümmte. Als dann auch noch die Spannung von der Schnur fiel und der Swinger einige Zentimeter nach unten sackte, wich meine Euphorie schnell der Ernüchterung. „Sicher ein Brassen“, dachte ich mir. Ohne nennenswerte Gegenwehr konnte ich den Unruhestifter bis wenige Meter vor mein Ufer führen, ehe er plötzlich in Richtung meiner anderen Rute abdrehte. Um kein Chaos zu riskieren, stieg ich ins Boot und pumpte mich langsam zum Fisch. Das Ertönen einiger Pieper und eine blinkende Diode verrieten mir, dass der Fisch inzwischen meine andere Schnur erreicht haben musste. Leicht genervt schloss ich die Bremse und erhöhte den Druck. Ich traute meinen Augen kaum, sobald ich sah, was anschließend die Wasseroberfläche durchbrach. Es war eine riesige Flanke, hoch wie breit und garniert mit einigen Schuppen. Ich hatte „IHN“ tatsächlich am Band, meinen Zielfisch.
Erst jetzt fiel mir auf, in welcher ungünstigen Position ich mich befand. Zu meiner linken hing der Fisch in meiner anderen Schnur fest und zog unermüdlich in der Tiefe seine Bahnen. Auf der rechten Seite lag das Totholz nur wenige Meter entfernt. Die majestätische Birke muss es bereits vor vielen Jahren bei einem Sturm umgerissen haben, waren doch nur noch die dicken Äste zurückgeblieben, an denen sich über die Jahre unzählige Muscheln angesiedelt hatten. Das Herz schlug mir bis zum Hals und die unschöne Erfahrung von meinem abgerissenen Fisch am Tag zuvor holte mich wieder ein. Aber es nutzte nichts, ich musste den Druck auf meinen Kontrahenten weiter erhöhen. Wohl wissend, was dort am anderen Ende zum Vorschein kommen würde, legte ich meine Hand auf die Spule der alten Big Baitrunner und hoffte, dass der kleine 8er Haken gut Fleisch gefasst hat. Langsam kam der Sandsack, der unter mir stand, Zentimeter für Zentimeter höher und im Schein meiner Kopflampe konnte ich erneut das breite Kreuz des Fisches erkennen. Allmählich stieg er nach oben und drehte sich auf die Seite. Gerade als ich den Kescher ins Wasser getaucht hatte, dessen Netz vom Wasser beschwert absank, steuerte der Dieb erneut in Richtung Tiefe und schwamm mir tatsächlich genau in die Maschen. Ich war fassungslos, erleichtert und von den Eindrücken und dem puren Glück einfach überwältigt.
Beim Fotografieren dieser wunderschönen Kreatur hatte ich alle Rückschläge vergessen und gegen ein breites Grinsen eingetauscht. Was war das für ein Glück, biss dieser Fisch doch gerade auf der Rute, die ich erst neu gelegt hatte. Auf einem Spot, der die letzten Nächte nie eine Aktion brachte. Aber am Ende braucht es eben genau diese Schippe voll Glück beim Graben nach einem Schatz. Endlich hatte ich ihn – „Den König der Diebe“.
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