Potzblitz – der Bobbin ballert gegen die Rute, der Bissanzeiger schaltet von 0 auf 100 in den Dauertonmodus, die Schnur reißt von der Rolle, die Bremse meldet sich zum Dienst. Fisch und Fluss arbeiten nun Hand in Hand gegen mich. Doch zurückgespult – alles auf Anfang: Dort, am Anfang, steht die Frage, wie ich eigentlich in diese Situation geraten bin. Wie so oft lautet die Antwort auch diesmal: Ich versuche, die Zeichen zu deuten und höre auf mein Bauchgefühl, ein Gefühl, das mir in den letzten Jahren immer wieder recht gegeben hat.
Der richtige Pegel: Zur Vorgehensweise am Fluss
Der Reihe nach: Es ist Sommer, der Pegel der Elbe beruhigt sich langsam wieder und ich sitze „auf Strecke“. Letzte Woche stand das Wasser noch auf dem Niveau, auf dem nun mein Zelt steht – und so riecht es auch. Nach Hochwasser. Ich möchte euch entlang dieser Pegel-Änderung – vor einigen Tagen Hochwasser, aktuell fast wieder Normalpegel – zeigen, wie ich auf die Gegebenheiten reagiere und meine Angelei sowie mein Futter daran anpasse. Vorab noch eins: Es gibt nicht die eine Futtertaktik, die den Fisch im Fluss ans Band bringt, denn dafür sind die Flüsse zu verschieden in ihren Ausprägungen. Dennoch gibt es mit Blick auf den Flussverlauf einige-, sich wiederholende Merkmale, an denen ich mich bei der Stellenwahl im Vorfeld orientiere.
Die Mischung macht‘s: Von Futter und Beständigkeit
Wenn ich ein Motto im Fluss verfolge, dann lautet dies wohl am Ehesten: „Kelle halb so voll aber dafür regelmäßig – und vor allem: Dranbleiben und durchbeißen.“
Konkret bedeutet das: Am Fluss fische ich in der Regel „instant“ sowie in kurzen- aber regelmäßigen Session-Intervallen. Dabei verzichte ich auf große Futtermengen – meistens habe ich 2 bis 3kg Boilies im Gepäck, wobei ich oftmals wieder mit einigen Murmeln zurückfahre. Während meines Aufenthaltes füttere ich in regelmäßigen Abständen ein bis zwei Hände. Diese Menge ist abhängig von Schiffsverkehr, sich zeigenden potentiellen Mitessern sowie deren gelegentlichem Beifang.
Meines Erachtens ist der Karpfenbestand auf meiner Strecke hinsichtlich der Gewichte gut, aber die Anzahl überschaubar. Natürlich habe ich keine endgültige Gewissheit über die Ausprägung der Population und werfe nur Vermutungen in den Raum – zumal ein Fisch innerhalb einer Woche etliche Kilometer Fluss auf- oder abwärts gezogen sein kann. Aus diesem Grund macht es für mich auch keinen Sinn, raue Mengen von Futter in die Elbe zu „schleudern“, zumal ich mir durch viel Futter unliebsame Beifänge, wie Döbel und Alande, deren Bestand sehr ausgeprägt ist, auf den Plan rufe.
Wenn sich also die Karpfen im von mir beangelten Abschnitt aufhalten, können sie – logisch – nur fressen, was dort auch an Futter eingebracht wurde. Um mir also meine eine Aussicht auf den Fangerfolg zu wahren und die Fische nicht unnötig mit Futter abzulenken, füttere ich lieber weniger als zu viel. Dafür spricht auch noch ein weiterer Grund: Der Angeldruck vor meiner Haustür ist nicht gerade gering und ich füttere selten gerne für andere mit.
Zur Futtertaktik „auf Strecke“
Kommen wir zur Futtertaktik auf Strecke. Auf jener Strecke auf der ich gerade sitze – ein Flussabschnitt der Elbe ohne nennenswerte Features. Keine Buhnen, kaum steilabfallende Kanten, keine tiefen Löcher oder Sandbänke sowie ein Untergrund, dessen Beschaffenheit ziemlich monoton ist. Mal sandig, mal kiesig, mal grobere Steine und ganz selten etwas Kraut. Orientierungspunkte bieten mir Hafenbereiche, Brückenpfeiler und Innen- sowie Außenkurven.
Die Elbe ist hier bei Normalpegel im Schnitt zwischen 1-2m tief. Ich mache mir praktischerweise den Flusslauf zu nutze. Das heißt, dass ich mich an den unteren Bogen einer S-Kurve im Übergang vom beruhigten- zum stärkeren Strömungsbereich setze. Dies bringt nämlich eine markante Veränderung der Gewässerstruktur vom Flachwasser (50-80cm) in tieferes Wasser (ca. 1,80m) mit sich.
Der Druck der Strömung ist in meinen Wathosen, bis zur Brust im Wasser stehend, gut spürbar. Jetzt heißt es: Die Sinne schärfen – ein falscher Schritt und ich könnte über einen dieser melonen-großen Steine stolpern und die Wathose fluten. Nun ist taktiles Feingefühl gefragt: Eine mit den Füßen ertastete, sedimentreiche, steinfreie Stelle zwischen den sonst dicken Klamotten signalisiert mir, dass sich hier natürliche Nahrung ansammelt – eine Stelle, die unsere Freunde auf den Plan rufen könnte. Ich mache mir hier selbst kleinste natürliche Features zunutze und lege dann meinen Köder ab, oder pendel ihn in das entsprechende Areal. Je nach Strömungsdruck und Tiefe werfe entweder direkt am Spot ein paar Boilies sowie einen schweren teigähnlichen Stickmix drüber, oder ich laufe im Anschluss – nachdem die 10ft 3,5lbs Insurgent-Rute auf den steil-gestellten Banksticks Platz gefunden hat – einige Meter flussaufwärts und füttere dort recht großflächig drei bis vier Hände. Durch diese Verteilung versuche ich sicherzustellen, dass auf einem konzentrierten Areal um meinen Köder herum ein paar Boilies hängen bleiben, um die Fische so auf ihrer Durchreise kurzzeitig aufzuhalten.
Die Gunst der Stunde nutzen
Auch habe ich mir in der Vergangenheit bei Niedrigwasser kleine Unterwasser-Walle aus Steinen sowie steinfreie Areale gebaut, die dafür sorgen sollen, dass mein eingebrachtes Futter Halt findet und die Montage ordentlich präsentiert werden kann. Niedrigwasser ist auch dahingehend gut, dass es den Schiffsverkehr nahezu zum Erliegen bringt und kaum Treibgut unterwegs ist, was die Angelei immens erleichtert.
Mein Futter besteht zu 90% aus Boilies in den Größen von 15mm bis 24mm. Hierbei variiert die Sorte in Abhängigkeit zum Aufkommen von Grundeln und Flusskrebsen. Die restlichen 10% bestehen – in seltenen Fällen – aus Mais. Früher hatte ich auch gern Pellets hinzugefügt, wovon ich aber aufgrund der steigenden Wels-Population seit geraumer Zeit absehe.
Die Gegebenheiten nutzen: Unterschiedliche Spots – unterschiedliche Taktik
In Stein-Nähe
Sofern ich in der Nähe von größeren Steinen angele, kommt vorzugsweise eine Steinmontage von Fishstone zum Einsatz. Diese löst sich im Gegensatz zu einem handelsüblichen Blei, das gerne mal fest verkeilt zwischen den Steinen hängen bleibt, gut.
Bei Häfen
Angel ich wiederum im Hafenbereich, in dem es gilt, eine gewisse Distanz zu überbrücken, verwende ich Standardblei. Der Hafen ist für mich die erste Anlaufstelle in meiner Flusssaison. Fast täglich düse ich ab April bzw. Mai mit dem Fahrrad ans Wasser und halte Ausschau nach den Flusskämpfern, zumal sich dort früher oder später ein Teil von ihnen zu ihrem alljährlichen Paarungsritual einfindet. Dies kann sich je nach Verlauf des Frühjahrs auch bis Ende Juni ziehen. Hier lautet die Devise, ähnlich, wie am See: Attraktives und auffälliges Futter – aber in Maßen. Diese Angelei kommt dem Stalken ziemlich nah, da ich die Fische in diesem Fall von einer ca. 6m hohen Spundwand lokalisiere und befische. Es kann auch sein, dass sie im Frühjahr nicht in diesem Bereich auszumachen sind; dann lohnt es meines Erachtens auch nicht, dort zu angeln. In diesem Fall nehme ich lieber auf Strecke Platz und drücke die Daumen.
In Hafen-Umgebung
Ebenso sind die Häfen und deren Umgebung bei stark ansteigendem Pegel meiner Erfahrung nach lohnenswerte Anlaufstellen, da die Fische, die sich gerade im Areal aufhalten, aus dem Strömungsdruck flüchten und sich in die ufernahe-, überfluteten Bereiche verkriechen, um dort Schutz und Nahrung zu suchen. Hier habe ich bei sommerlichen Hochwasserbedingungen, wenn ich wusste, dass sie da sind, auch mal etwas mehr Futter (5kg gestreut) eingebracht, um sie zu stimulieren und bei Laune zu halten. Dabei brachten mir sogar Tagesansitze von wenigen Stunden gute Erfolge. Das Zeitfenster, in dem sich diese außergewöhnliche Situation einstellt, ist allerdings begrenzt und kann nach einer Woche schon wieder vorüber sein. Dann kehre ich zurück zur oben beschriebenen Vorgehensweise.
Fazit: Flussangeln zwischen Glück und Taktik
Ich bin davon überzeugt, dass es bei der Flussangelei mehrerer Faktoren in einer günstigen Konstellation bedarf, um einen Fisch an die Strippe zu bekommen – man ist also viel mehr auf günstige Umstände angewiesen, als das am See der Fall ist. Man denke hier nur an das Treibgut, das von einfachen Grasfäden über Damenbinden bis hin zu Geäst aller Größenordnungen reicht und sich – vom Angler mitunter unbemerkt – still und heimlich am Haken festsetzen- und damit im entscheidenden Moment unbrauchbar machen kann.
Und trotzdem: Abschließend kann ich jedem, der das Risiko des Blankens in Kauf nehmen- und die Hoffnung auf den dicken Unbekannten aufrecht erhalten kann, nur ans Herz legen, sich in dem Kreislauf des Stromes hineinzubegeben und die Faszination Flussangeln zu spüren. Es wird sich – früher oder später – lohnen!
Bleibt stabil, Egge!