Für Sebastian Manecke, Firmeninhaber von CarpForce, ist die Oberflächenangelei eine sehr spannende und vor allem effiziente Methode, Karpfen zu fangen. Durch das wenige Tackle ist man sehr flexibel und kann die Fische aktiv suchen. Besonders wenn die Zeit mal etwas knapper ist, stürzt sich Gonzo, wie ihn viele nennen, im Sommer auch unter der Woche für ein paar Stunden auf die sich in der Sonne badenden Fische. Wir möchten mehr zu seiner Vorgehensweise erfahren und haben ihn zum Interview geladen.
Wie lange beschäftigst du dich schon mit dem Oberflächenangeln und wie kam es überhaupt zu dieser Spezialisierung?
An der Oberfläche habe ich schon immer zwischendurch mal geangelt. Von Spezialisierung würde ich ehrlich gesagt gar nicht sprechen. Das Fischen an der Oberfläche ist eher eine Art des Stalkens und deutlich minimalistischer und simpler als unsere normale, stationäre Angelei. Tendenziell also mehr die Rückkehr zu unseren anglerischen Wurzeln als eine Spezialisierung. Alles kein Hexenwerk, muss man halt nur machen. Richtig Blut geleckt habe ich, als ich vor einigen Jahren durch einen guten Kumpel auf die Futterplatzangelei an der Oberfläche aufmerksam geworden bin.

Was macht für dich die Faszination Oberflächenangeln aus?
Action! Schreiende Bissanzeiger und kreischende Freiläufe sind ja schon cool – aber wenn du live und in Full-HD siehst, wie sich der dicke Rücken unter der Oberfläche auf deinen Köder zuschiebt, das Maul die Oberfläche durchbricht und im Bruchteil einer Sekunde die Wasseroberfläche explodiert, ist das nochmal eine Nummer krasser. Das Adrenalin kann sich vor dem Biss schon viel besser in der Blutbahn verteilen. Anschlag! Die Schnur peitscht aus dem Wasser und dann donnert der Fisch in die Bremse. Auch die Drills sind wegen des filigraneren Gerätes immer deutlich spannender.
Des Weiteren ist diese Art des Angelns super flexibel und sehr schnell gemacht. Wenn man den Bogen erst raushat und die Bedingungen halbwegs passen, kann man durchaus die Beute einer ganzen Wochenendsession mal eben schnell in zwei, drei Stunden vor der Spätschicht erledigen. Keine Fantasie! Es probiert nur einfach niemand aus. Leichter kann Abräumen nicht sein.
Abgesehen davon kann man sehr viel über den Bestand und das Benehmen der Fische im Gewässer lernen. Erst recht über das Verhalten auf dem Futterplatz. Wir haben zum Beispiel beobachtet, wie Karpfen wie Staubsauger unsere Floater Pellets von der Wasseroberfläche gesaugt haben und immer, wenn ein gelber Pop-Up dort lag, sind sie wie selbstverständlich unter ihm durchgetaucht, um zwei Meter weiter wieder aufzutauchen und total entspannt weiter zu fressen. Offensichtlich war ihnen die Gefahr dieser neongelben Kugeln bekannt.
Das Gleiche wie auf dem Futterplatz in 5 Meter Höhe, passiert in 5 Meter Tiefe auch – nur, dass wir es nicht sehen. Selbst mit den besten Unterwassercams bleiben einem noch 90 Prozent des großen Ganzen verborgen. Allein aus diesem Grund fahre ich schon genau so gerne füttern und beobachten. Eine scharfe Rute habe ich deutlich seltener dabei.

Was funktioniert sehr gut, und was sind die größten Fehler, die man nicht machen sollte?
Wenn du am Wasser ankommst und Karpfen findest, die von selbst schon Insekten von der Oberfläche schlürfen, sind Matte und Kescher quasi schon nass. Bessere Voraussetzungen kann es nicht geben.
Pflicht ist, die Fische nicht mit dem ersten Bissen, den sie nehmen, gleich zu haken. Ausnahmslos. Erst füttern und Vertrauen schaffen und dann erst einen rausfangen. Wenn die Karpfen sofort mit dem ersten Köder, den sie von der Oberfläche nehmen, einen an die Hörner bekommen, lernen sie zu schnell, dass Fressen dort gefährlich ist.
Ich glaube, die Karpfen sind an der Wasseroberfläche nicht so vertraut und generell vorsichtiger, weil sie hier häufiger von „Feinden“ wie Mensch und Greifvögeln aufgemischt werden und sich demnach beim Fressen vorsichtiger verhalten. Vielleicht haben sie in der Tiefe auch weniger Schiss, weil sie sich durch die Dunkelheit und Wassertrübung geborgener fühlen. Alles graue Theorie. Der größte Fehler auf alle Fälle ist, es nicht auszuprobieren.
Wie ist der Ablauf einer Oberflächensession bei dir?
Eigentlich ist das immer identisch: Finden, füttern, fangen! An meinen Gewässern kenne ich die Stellen, wo man Karpfen suchen muss. Das sind in der Regel versunkene Bäume, Sträucher, Seerosen, usw. Die normalen Holding Areas halt. Dort versuche ich die Fische mit Futter in den Bereich herauszulocken, in dem ich sie auch sicher beangeln kann. Da ist manchmal Taktik gefragt. Man muss den Wind und die Wurfweite im Auge behalten. Es nützt nichts, wenn der Wind das Futter in einen Bereich drückt, den du nicht mehr anwerfen kannst. Es gibt Tage, da funktioniert das sehr gut und die Karpfen fressen schnell, es gibt aber auch Tage, an denen es einige Stunden dauert, vertrauen aufzubauen. Erst recht, wenn die Fische einen sehen können oder evtl. schonmal dort gehakt wurden.
Das Futterplatzangeln an der Oberfläche funktioniert theoretisch noch einfacher, wenn die Karpfen erstmal konditioniert sind. Je nach Gewässergröße muss man dann in der Regel auch deutlich weniger Zeit dafür aufwenden, die Fische zu suchen. Wenn sie den Einschlag der Futterrakete erstmal mit Futter verbinden, kommen sie von ganz allein. Sobald die ersten Fische unsere Floater Pellets einsammeln, muss man nur regelmäßig genug nachfüttern. Nach und nach finden sich dann immer mehr Gäste auf dem Futterplatz ein. Wenn ich den Eindruck habe, dass die Fische einige Minuten oder eine halbe Stunde hemmungslos fressen, werfe ich meine Montage hinter den Futterplatz und ziehe sie langsam herein. Der Rest erledigt sich dann meistens recht fix.
Die größte Katastrophe, die man jetzt anzetteln kann, ist, nicht schnell genug nachzufüttern. Die Zeit vergeht rasend schnell, wenn man drillt, keschert, den Fisch versorgt und den Fang feiert. Ruckzuck ist der Futterplatz leergefegt und die Karpfen verschwinden. Wenn es so weit gekommen ist, muss man die ganze Prozedur von vorne beginnen.

Wie „konditioniert“ man Karpfen, an der Oberfläche zu fressen?
Um sie richtig zuverlässig auf eine einschlagende Futterrakete zu konditionieren, braucht es sehr viel Zeit und Geduld und ein wenig Taktik. An manchen Gewässern klappt das nach ein paar Versuchen schon ganz gut und an anderen dauert es mehrere Monate. Das Wichtigste ist, die Fische erstmal an das Futter an der Oberfläche zu gewöhnen. Das geht am einfachsten, wenn man sie in ihren Ruhezonen mit Brot füttert. Enten und Weißfische sind unsere besten Helfer. Sie machen die Karpfen schneller darauf aufmerksam, dass das schwimmende Zeug gefressen werden kann und schaffen vertrauen und Futterneid – Brot kann man übrigens deutlich weiter werfen, wenn man es mit Fischöl soakt.
Sobald die Brotflocken regelmäßig gefressen werden, füttere ich kleine Mengen Pellets und Seidenraupenpuppen dazu. Dabei bin ich ein Freund der Buffettaktik. Pellets in verschieden Größen und Raupenpuppen. Da wird wohl für jeden etwas dabei sein. Auch hier ist es wichtig, die Weißfische nicht zu vernachlässigen.
Klappt das problemlos, werfe ich die Karpfen mit der Futtermischung in der Futterrakete gezielt an. Drei Raketen und abwarten. Nach einer halben Stunde wieder drei Raketen und abwarten. Das ist die langwierigste Arbeit an dem ganzen Projekt und kann einige Wochen dauern. Haben die Karpfen erstmal gerafft, dass es Futter gibt, wenn es knallt, ist der Rest eigentlich einfach.
Aber: Fische immer bei Laune halten. Nachfüttern und auf keinen Fall zu früh mit dem Angeln beginnen – auch wenn es in den Fingern juckt. Umso einfacher und effizienter ist die Angelei nachher.
Was ist die beste Jahreszeit für das Oberflächenangeln?
Ganz einfach: Wenn du Fische an der Oberfläche siehst, kannst du sie auch dort beangeln und fangen. Und nicht nur dann. Dass das Oberflächenangeln reine Sommerangelei ist, ist ein Mythos. Ein guter Freund von mir war auch schon regelmäßig bei Wassertemperaturen unterhalb 10°C sehr erfolgreich. Das ist allerdings nicht die Regel. Warmes Wasser und ein bisschen Sonne sind absolut hilfreich. Funktionieren wird es das ganze Jahr hindurch, allerdings in den Sommermonaten deutlich einfacher und erfolgreicher.

Welches sind die idealen Gewässertypen, um mit dem Oberflächenangeln zu beginnen?
Für den Anfang auf jeden Fall überschaubare, kleinere Gewässer mit gutem Bestand. Noch besser sind Regenrückhaltebecken, Parkteiche oder alle anderen kleinen, siedlungsnahen Seen, an denen häufig Enten gefüttert werden. Kennen die Karpfen das „Vogelfutter“ schon, haben sie oft keine Bedenken, unsere Köder zu fressen. So etwas funktioniert sogar an Gewässern mit mehreren tausend Hektar. Sogar an einem Kanal, den ich zeitweise intensiv beangelt habe, konnte ich Karpfen beobachten, die von einem am Steg liegenden Motorboot mit Brot gefüttert wurden. Das kommt einem Jackpot schon sehr nah.
An einem großen französischen Stausee habe ich vor Kurzem gesehen, wie einige im Kraut stehende Karpfen angetriebene Insekten zwischen den Seerosenblättern weggesaugt haben. Ich habe mich selten mehr geärgert, mein Oberflächenzeug nicht dabei zu haben.
Also grundsätzlich gilt auch hier: Mit ein wenig Übung kann ich Karpfen überall an der Oberfläche beangeln. Es ist völlig egal, in welchem Gewässer er schwimmt, der Karpfen frisst dort, wo er Futter findet.
Welches Gerät und welche Montagen-Gimmicks verwendest du bei der Oberflächenangelei?
Auch das ist ein wenig von den jeweiligen Umständen abhängig. Am liebsten nutze ich eine weiche, parabolische Rute. Die beugt Aussteigern gerade bei den kleinen Hakengrößen vor. Dafür nutze ich allerdings ein recht hohes Wurfgewicht, weil ich zum Teil Spirolinos mit bis zu 120 Gramm werfe. Keine Angst vor Scheuchwirkung durch schwere Montagen. Das kratzt die Fische zumindest auf dem Futterplatz kein bisschen.
Streitthema Rutenlänge: Das ist Geschmackssache. Der eine mag ganz kurze Ruten, um im Gebüsch angeln zu können und ich wiederrum mag Zwölffüßler lieber, weil ich meinen Köder dann mal eben über den Schilfgürtel oder vor dem Gestrüpp „herschlenzen“ kann.
Rolle? Ja, braucht man. Klein, leicht, zierlich und mit guter Bremse. Eine sauber funktionierende Bremse ist gerade wegen der kleinen Haken und dünnen Schnüre enorm wichtig. Ich nutze ein Schätzchen aus meiner anglerischen Jugend. 4.000er Spinnrollen eignen sich aber auch super.
Auf meiner Rolle habe ich eine 0.25er bis 0.28er Mono. Ganz einfache, normale Mono, die es in jedem Angelladen gibt, reicht völlig aus. Bitte nicht die sinkenden Strippen nehmen, die wir vom Karpfenangeln kennen. Als Vorfach genau das Gleiche. Auf gar keinen Fall Fluorcarbon verwenden. Das sinkt nämlich auch. Ganz normale Nylonschnur hat sich durchgesetzt. Kleiner Trick: Das Vorfach, das zwischen 1 und 2 Meter lang ist, ein ganz bisschen mit Vaseline einreiben. Nicht übertreiben, dann ist es zu auffällig.
Grundsätzlich unterscheide ich zwischen dem Fischen mit freier Leine und der Selbsthakmontage am Spiro. Wenn ich nicht weit werfen muss, knote ich einfach nur einen großen Haken an die Hauptschnur und verstecke den gesamten Haken im Köder. Dies setzt allerdings voraus, dass ich den Biss anschlagen muss. Das kann auf Entfernung oder bei schlechter Sicht schwierig werden.
Dann, oder gerade auf große Distanzen, nutze ich die Selbsthakmontage mit einem Spirolino. Mein Lieblings-Rig besteht in dem Fall aus einem Schwimmer mit mindestens 30 Gramm – sonst verpufft der Selbsthakeffekt – und einem 10er oder 12er Haken an einem 1,5 Meter langen Vorfach. Als Köder stanze oder schnitze ich mir hier einen Zylinder aus CarpMellows passend zu den Oberflächenpellets und fische diesen am durchgebundenen Haar.
Nicht nur Lock- und Futtermittel, sondern auch als smartes Werkzeug setze ich Fischöl ein. Eine X-Spod voll auf den Futterplatz hilft zuverlässig und je nach Windstärke auch relativ lange, die Wellen zu glätten. So kann ich Futter und fressende Fische deutlich besser erkennen und laufe nicht Gefahr, dass die Karpfen unbemerkt den Platz abgrasen und sich dann verkrümeln.
Nutzt die letzten warmen Wochen. Viel Spaß beim Nachmachen und fette Beute auf dem Futterplatz in 5 Metern Höhe.
