Jahrelang bestand meine Angelei darin, an den nächsten Baggersee zu fahren um Fische zu fangen. Dies waren größtenteils Fische, die mir entweder durch eigene Fänge oder durch die Fänge anderer Karpfenangler bekannt waren.
Dieser Umstand ist heutzutage eher die Regel als die Ausnahme – viele von uns kennen den Bestand eines Baggersees schon lange bevor sie dort selbst angeln. Mehr sogar: Für manche unter uns ist die genaue Kenntnis des Bestandes gerade das, was sie antreibt, um die verschiedenen Gewässer mit ihren Bewohnern näher zu erkunden. Das zeitigt allerdings auch seine Nebenwirkungen, denn negative Begleiterscheinungen sind die Folge: Sobald sich rumspricht, dass hier und dort ein großer Fisch mit Gewicht X schwimmt, werden Angelplätze bisweilen wie Privatgrundstücke behandelt – begleitet von einem hohen Angeldruck, der schon bald dafür sorgt, dass der betreffende See eher einem Campingplatz gleicht.Das einst so idyllisch wirkende Seeufer ist dann umsäumt mit „Huntern“, die alle auf DEN einen Biss warten.
Flussangeln gegen den Strom
Nicht mit mir! Ich wollte ausbrechen, mich nicht zwischen andere quetschen und viel lieber mein eigenes Ding durchziehen. Aber wo ist das möglich? Zum Glück gibt es ihn noch, den der ein- oder andere vielleicht schon erahnt: Der Fluss – die letze Bastion des ungestörten Angelns! So auch in meinem Fall: Mein Hausfluss schlängelt sich über etliche Kilometer quer durch Städte, Wiesen und Wälder.
Der Fluss der Möglichkeiten?!
Es scheint also zunächst mal, als würde der der Fluss viele anglerische Möglichkeiten bieten. Aber die Frage bleibt: Ist es so einfach, dort zu angeln? Ich denke nicht. Denn die Flussangelei unterscheidet sich grundlegend von der Angelei am See – und das stellt für viele eine große Hemmschwelle dar. Wer sich dennoch überwinden kann, der versucht es allenfalls halbherzig, blankt bzw. geht leer aus und kehrt am Ende – früher oder später – zum vermeintlich-einfacheren Baggersee zurück. Dort kann man sich bei einem Blank zumindest mit anderen Bewohnern der „Zeltstadt“ austauschen und gemeinsam Gründe für die erfolglosen Stunden suchen.
Doch zurück zum Fluss: Die Strömung sowie die schwankenden Wasserstände sind die größten Unterschiede im Vergleich zu Stillgewässern. Gerade die vielen Einflussfaktoren für die schwankenden Wasserstände sind hier nicht zu unterschätzen – auch mit Blick auf etwaige Verzögerung, die mit der Wegstrecke des Flusssystems zusammenhängen; denn nicht nur bei Regen oder Hochwasser in der eigenen Region steigt der Wasserstand vor der Zelttür. Auch Regenfronten, Unwetter oder Schneeschmelzen, die sich womöglich etliche Kilometer flussaufwärts oder an Zuflüssen abspielen, können sich – mit entsprechender Verzögerung – massiv auf unsere Angelei auswirken oder sie gar ganz unmöglich machen.
Flussangeln – zwischen Gefühl und Erfahrung. Darauf kommt es an
Zugegeben: Die oben-genannten Unwägbarkeiten von Strömung und Co. sind erstmal nicht sonderlich aussichtsreich. Wer aber die ersten Schritte am Strom macht, bekommt nach und nach das Gefühl für den Fluss.
Für mich steht und fällt am Fluss alles mit der Platzsuche. Ich persönlich versuche mir immer Plätze zu suchen, die nicht jeder frequentiert, die aber trotzdem auffällige Features bieten und mir gegebenenfalls die Möglichkeit bieten, meine Rigs auch bei steigendem Wasserstand oder massivem Treibgutaufkommen sauber zu präsentieren. Hierzu gehören Buhnen, Einläufe von Zuflüssen und ausgeprägte Kurven im Flussverlauf. Auch Wehre sind immer einen Blick wert.
Einige Erfahrungswerte – so gehe ich vor
Wenn mir ein Platz zusagt, dann füttere ich meist von Montag bis Freitag um am Samstag für eine Nacht zu angeln. Als Futter verwende ich fast ausschließlich unbehandelte Boilies. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ich mir sonst zu viele andere Fischarten wie beispielsweise Döbel auf den Platz hole.
Häufig setze ich bei den Boilies auf zwei verschiedene Typen bzw. Sorten um Fische mit verschiedenen Vorlieben anzusprechen. Dabei hat sich der NG Squid und der Sweet Maggot & Cream von Proline als erfolgreiche Kombination herauskristallisiert. Nur dann, wenn ich „instant“ (in kurzen Zeitfenstern ohne vorheriges Anfüttern) unterwegs bin, verwende ich Liquids und anderes Beifutter um die fehlende Zeit durch die nochmal-erhöhte Attraktordichte auszugleichen.
Zur Futtertaktik am Fluss
Die Futtermenge wähle ich passend zur Wassertemperatur und zum allgemeinen Fischaufkommen. Am Angeltag bringe ich dann zu Beginn die Ruten aus – und zwar erstmal ohne jegliches Beifutter. Du hast richtig gelesen: Ich angle auch im Fluss mit Single Hookbaits. Erfahrungsgemäß sind die Fische durch das vorherige Füttern bereits im Areal, wobei das Futter vom Vortag bereits aufgefressen ist und die Fische entsprechend schnell auf meinen Köder reagieren.
Das hängt neben dem konkurrenzlosen Köder selber unter anderem mit den Einschlag der Montage zusammen: Oft werden die wenig beangelten Fische neugierig, wobei sie den Einschlag meiner Montage für neu-eingebrachtes Futter halten. Nochmals: Da sie außer meinem Hakenköder nichts am Gewässergrund finden, steigt die Chance auf einen schnellen Biss. Häufig lässt sich über die Rutenspitze beobachten, dass es oft nur Sekunden dauert, bis sich die ersten Fische bemerkbar machen.
Zur Taktik: Enge Zeitfenster als Vorteil
So konnte ich schon häufiger bereits innerhalb der ersten halben Stunde Fische fangen. Ich bin davon überzeugt, dass es länger gedauert hätte, wenn ich gleich Futter eingebracht hätte. Diesen Rhythmus mache ich mir zunutze, indem ich die kurzen Zeitfenster nach dem Einschlag neuerlich in Gang setze. Im Klartext: Falls der erste Lauf länger als eine Stunde auf sich warten lässt oder ich einen Fisch fangen konnte, wird die Rute neu geworfen und paar Boilies nachgelegt.
Diese Taktik hat sich gut bewährt. Meine Theorie dazu ist, dass die Fische auf das Geräusch der Boilies, die auf die Wasseroberfläche prasseln, reagieren. So geht das Spiel die ganze Session weiter. Es gilt: Wie beim Vorfüttern passe ich auch beim eigentlichen Angeln die Mengen und die Futterintervalle der Wassertemperatur an.
Zur Rigfrage – Effizienz zählt
Bei dem Thema Rigs scheiden sich die Geister, sowohl im See als auch im Fluss. Für mich hat sich allerdings herauskristallisiert, dass es besonders wichtig ist, nur auf sehr robustes und verwicklungsfreies Endtackle zu setzen. Das zählt am Fluss mehr, denn je. Konkret bedeutet das für mich, dass ich im Fluss ausschließlich auf Stiffrigs aus monofilem Material setze. Durch die vielen Mitesser, die es im Fluss gibt, ist mir das Risiko von Verwicklungen bei anderen Materialien einfach zu hoch. Durch die Strömung haben wir unter Wasser permanent Bewegung, die sich schließlich auch auf unser Vorfach überträgt, lies: der Haken bewegt sich und kann, wenn er auf frei gespülte Steine oder sonstigen Unrat trifft, schnell abstumpfen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken greife ich im Fluss nur auf Haken mit einer nach innen gebogenen Spitze zurück, wie beispielsweise den Newerza von Carpleads. Des Weiteren ist es für mich wichtig, auf dickdrähtige Hakenmodelle zu setzen.
Fazit: Das richtige Mindset zählt
Durch die permanente Bewegung, der die Fische ausgesetzt sind, sind die Fische beachtliche Kämpfer, zumal sich gerade die erfahrenen Flussrecken im Drill häufig den Strömungsdruck zunutze machen. Ich will daher nicht den Eindruck erwecken, als wäre das Flussangeln ein Zuckerschlecken, ganz im Gegenteil: Die Zeit am Fluss kann manchmal hart sein. In einem Moment denkt man „Super, jetzt habe ich ihn geknackt“ und im nächsten Moment blankt man bei den vermeintlich-besten Bedingungen. Der Fluss ist und bleibt zu einem gewissen Grat unberechenbar.
Daher mein Plädoyer: Essenziell ist es, dran zu bleiben und weiter zu machen. Ein alleiniges Erfolgsrezept gibt es nicht, zumal jeder Fluss auf eine ganz eigene Art und Weise „tickt“ – und genau daraus leitet sich die alleinig-gültige Regel ab: Im Fluss gibt es keine Regeln! Man muss vielmehr versuchen, den Fluss zu verstehen und ihn lernen zu lesen. Wer beharrlich bleibt, der wird Erfolg haben und für seine Mühen belohnt werden.
Und überhaupt – mit Blick auf das Einstiegs-Szenario möchte ich festhalten: Fernab von Zeltstätten und bekannten Beständen ist ein Fluss immer realer als ein Baggersee.
Luca Schurig