Lieblingszeit: Winter. Das hören wir auch nicht sehr oft. Marcel Protz genießt jedoch die winterliche Stille an seinen Gewässern. Mit der passenden Taktik belohnt er sich zudem auch noch mit dem ein oder anderen richtig guten Fisch. Matze berichtet hier von seinen Wintertaktiken – los geht’s.

Der Winter ist ohne Zweifel die schwierigste Jahreszeit, wenn es um die Jagd auf unsere favorisierte Spezies der Unterwasserbewohner geht. Ob gleich es auch oftmals sehr anstrengend, nervenaufreibend und zermürbend ist, gehört sie zusammen mit dem Herbst zu einer meiner, wenn nicht sogar liebsten, Zeit des Jahres. Fernab jeglichen Trubels aus wärmeren Tagen genieße ich nun meist vollkommene allein die Stille unserer Natur. Bei einem guten englischen Schwarzen Tee mit Zucker und Milch, einem beheizten Zelt und guter Lektüre lasse ich es mir gut gehen. Für mich ist es jetzt ebenfalls an der Zeit, meine letzte Saison noch einmal Revue passieren zu lassen und über Veränderungen für die nächste, neue Vorhaben und deren Umsetzung nachzudenken. Wer nun in aller Ruhe dem kalten Wind und dem letzten Rascheln im Gebüsch zu lauschen vermag, hat meiner Meinung nach alles richtig gemacht und wird mit der passenden Taktik meist sogar noch entschädigt.

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Bonusfisch mit Futterplatz – die Langzeittaktik

Ein im Spätsommer oder Frühherbst aufgebauter Futterplatz eignet sich für dieses Vorhaben taktisch gesehen am besten. Vielerorts endet für die meisten Angler eine Saison schon eher als ihnen lieb ist, denn nicht selten sind Gewässer für die Monate November oder Dezember aus Gründen des Friedfischbesatzes gesperrt. Wer jetzt Durchhaltevermögen zeigt und seinen Futterplatz konstant mit Feingefühl pflegt, kann ab Dezember oder Januar noch den ein oder anderen Fisch für sich verbuchen, zum Teil sogar wahre Überraschungen erleben.

Auch Ende Oktober 2018 war trotz lang ersehntem Fang eines Zielfisches für mich erneut kein Ende in Sicht. Wer hätte schon gedacht, dass mir diese Lady – nicht einmal 24 Stunden vor meiner Novemberzwangspause – dann doch noch die gebührende Ehre erweist. Da ich mich in dieser Saison voll und ganz auf lediglich ein Gewässer konzentrierte, ich parallel also kein zweites befütterte und meine voraussichtliche Planung weit über den Monat Oktober hinaus ging, musste ich mich vorerst damit zufrieden geben, im Folgemonat erst einmal zu pausieren.

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Meine Futtertaktik war im Vorfeld bereits in Stein gemeißelt und sollte trotz vorzeitigen Erfolges nicht verändert werden. Da die Wassertemperatur innerhalb einer Woche die zehn Grad Marke unterschritt, verzichtete ich gänzlich auf meine geliebten Tigernuts. Die Menge an Pellets blieb vorerst konstant. Mein hochproteinhaltiger NG-Squid Boilie – zuvor veranschlagt mit zwei Dritteln der Menge an Boilies – und die Birdfoodmurmel Garlic & Robin Red tauschten aufgrund der besseren Darmpassage ihre Rollen. Mit sinkender Temperatur des Wassers und sich änderndem Luftdruck, passte ich nun stets die Futtermenge auf ein Optimum an. Zudem verkleinerte ich aufgrund der zunehmenden Trägheit der Fische meinen Futterplatz nun von Woche zu Woche. Er sollte gerade groß genug sein, um zwei der erlaubten drei Ruten Platz zu bieten und jeglichen Argwohn der Fische zu umgehen. Nach einigen weiteren Fängen im Dezember stand auch für mich einmal mehr die letzte Session des Jahres an. Unverhofft kommt zwar nicht oft, in diesem Fall dafür aber umso gelegener. In meiner letzten Nacht des Jahres konnte ich tatsächlich einen alten Bekannten auf meiner Matte begrüßen. Und es sollte zu meinem Erstaunen ein weiterer Fisch sein, der das erste Mal die magische Grenze von 30 Kilo überschritt.

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Hausgewässer nutzen – drei Varianten, eine Taktik

Gerade in den Wintermonaten sollte sich auf Gewässer konzentriert werden, die man seit Jahren wie seine Westentasche kennt, und an denen man zu dieser Jahreszeit schon einmal zum Erfolg gekommen ist. Selbstverständlich gibt es hier ebenfalls einiges zu beachten, um überhaupt zum gewünschten Erfolg zu kommen.

Die Gewässergröße: In der Regel nutze ich für meine Vorhaben Gewässer mit einer Größe von bis zu maximal zehn Hektar. Auch größere Pools sind mit ausreichend Hintergrundinformationen oder Erfahrungsaustausch anderer Locals stets einen Versuch wert.

Der Fischbestand: Dieser sollte im Idealfall mindestens gut bis sehr gut sein. Ich persönlich achte in diesen Fall eher auf Masse statt Klasse und freue mich gerade in der kalten Jahreszeit über jeden möglichen und verwertbaren Lauf. Nur die wenigsten Teile Deutschlands sind sogenannte „Big-Fisch-Regionen“ und auch dort zählt im Winter jeder einzelne Karpfen mindestens doppelt.

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Die Gewässertiefe: Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, größtenteils setze ich jedoch auf die eher tieferen Gewässer mit einer Mindesttiefe von circa acht bis zehn Metern. Diese Pools sind in der kalten Jahreszeit weniger wetteranfällig und sind somit zu jeder Zeit für einen Versuch geeignet. Auch flache Gewässer von bis zu drei Metern können jetzt im Winter – zur richtigen Zeit am richtigen Ort – den gewünschten Erfolg bringen. Ich nutze sie eher spontan und meist sogar ausschließlich instant. Bei einer vorangegangen milden Wetterlage von mindestens zwei bis drei Tagen konnte ich bisher die besten Erfolge erzielen. Lasst euch des Weiteren niemals von Hochdruckphasen abschrecken, diese brachten mir in Verbindung mit reichlich Sonne – gerade in den flacheren und windabgewandten Bereichen – bereits einige winterliche Überraschungen

Die Location: Vertrauen in die eigene Angelei ist wichtig, eine bestmögliche Vorbereitung jedoch immer besser. Ob vom Ufer, vom Boot, mit der Polbrille, dem Fernglas oder der Spotcam, versucht so viele Anhaltspunkte wie möglich zu sammeln, die auf aktuelle Fischaktivitäten hindeuten. Verteilt die Ruten strategisch und agiert vorerst mit möglichst wenig Futter. Erste Ansitze von 24 bis 48 Stunden sind hierbei sehr hilfreich, um die Fressphasen der Fische einzugrenzen. Ist euch eine zweifelsfreie Eingrenzung erst einmal gelungen, können auch kurze Zeitfenster von einigen Stunden für weitere Sessions ausreichend sein.

Dieser makellose Schuppi ging mir an einem eisig kalten Morgen Mitte Januar ins Netz. Die Eisdecke des Gewässers war bereits fast vollständig geschlossen. Aus Erfahrung wusste ich, dass mein favorisierter Bereich meist zuletzt vom Eis erfasst wurde. Eine kleine Untiefe in diesem durchschnittlich zwei Meter tiefen Bereich war über Jahre hinweg immer wieder ein guter Spot für den ein oder anderen Fisch. Ich nutzte eine recht milde Wetterphase und präparierte den Platz etliche Male – circa alle 24 Stunden mit etwa 500 g Futter, bestehend aus etwas Hanf, kleinen Pellets, halbierten sowie gecrushten Boilies.

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Eine meiner Ruten platzierte ich exakt am Rande des gefütterten Areales, die zweite etwas abseits der abfallenden Kante. Für eine dritte Rute nutze ich in solchen Fällen einen weiteren bekannten Hot Spot, der dann ebenfalls mit einem Single-Hookbait oder einem zusätzlichen gesoakten PVA-Stick befischt wird. Alle drei Varianten brachten mir in den Wintermonaten bisher regelmäßige Erfolge. In diesem Fall war es jedoch der Einzelköder abseits des gefütterten Bereiches, der mir den einzigen Fisch dieses Ansitzes bescherte. Und das obwohl ich fest mit einer Aktion direkt am Futterplatz gerechnet hatte. Oftmals kommt es eben anders, meistens aber als man denkt…

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Instant im Winter

Meiner Meinung nach ist dies die unangefochtene Königsdisziplin, wenn es um das Angeln auf Karpfen geht. Doch auch hier gibt es natürlich einiges an Tipps oder Tricks, um etwas einfacher zum gewünschten Erfolg zu kommen.

Tipp 1: Meidet unbekannte und zu große Gewässer, andernfalls belaufen sich eure Erfolgschancen so ziemlich gen Null. Gewässer, dessen tiefere Bereiche euch bereits im Frühjahr oder Herbst den ersten oder auch letzten Fisch der Saison beschert haben, sind in diesem Fall ein guter Ansatzpunkt. Oftmals kann dies schon auf deren Winterplätze hindeuten oder sie zumindest etwas eingrenzen. Des Weiteren solltet ihr das Angeln auf bekannten Zugrouten in den Monaten Januar und Februar vermeiden, Karpfen fahren ihren Stoffwechsel in diesen Monaten auf ein Minimum zurück und sind dann sehr träge, erfahrungsgemäß also eher standorttreu.

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Tipp 2: Setzt bei eurer Platzwahl auf markante Spots wie zum Beispiel Todholz, überhängende Bäume, Abbruchkanten oder aus wärmeren Monaten bekannte Krautfelder. Die Fische suchen gerade im Winter diese Art von Schutz oder Unterständen. Im Fluss oder Kanal sind jetzt natürlich strömungsarme Bereiche wie ausgespülte Gumpen, Kehrströmungen, Buhnen, tote Schleusenbecken, Häfen oder ähnliches die absoluten Hotspots. Hier können die Fische mit geringstem Energieaufwand pausieren oder ihrer Winterruhe frönen. Um vermeintlich erfolgsversprechende Plätze zu selektieren, lohnt es sich natürlich, im Vorfeld etwas Location zu betreiben. Karpfen machen sich teilweise auch in den Wintermonaten durch buckeln oder rollen bemerkbar. In circa 90 Prozent der Fälle jedoch nachts und bis in die frühe Morgendämmerung hinein. Haltet eure Augen und Ohren also stets offen und begebt euch im Zweifelsfall auch einmal ohne euer Tackle an’s favorisierte Gewässer. Der Einsatz einer Drohne kann zum Teil auch jetzt hilfreich sein. Bei sonnigem Wetter und glasklarem Wasser lassen sich kürzlich frequentierte Bereiche am Gewässergrund oder im Mittelwasser verharrende Fische finden.

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Tipp 3: Gestaltet Hakenköder und eventuelles Beifutter so attraktiv wie nur möglich! Fangen wir einfach mal bei den Hakenködern an. Liquids, Extrakte oder Baitspray gesoakte Pop-Ups und Wafter sind in der kalten Jahreszeit grundsätzlich meine erste Wahl. Diese Hookbaits verwende ich im Winter vor allem aufgrund der besseren Hakeigenschaften meiner Rigs. Die Fische sind jetzt extrem langsam in ihren Bewegungsabläufen und eine möglichst einfache und schnelle Köderaufnahme – in Kombination mit einem super scharfen Haken – absolut essentiell. Instant verwende ich durch den zusätzlichen optischen Reiz gelegentlich auch knallige Farben wie zum Beispiel ein UV-aktives Gelb oder Orange. An stark beangelten Gewässern ist jedoch oftmals Vorsicht geboten, denn die vergangenen Monate haben bei den Fischen dann meist zu viele negative Erfahrungen im Bezug auf solche Köder hinterlassen. Ich tendiere in solchen Fällen zu dezenteren Farben wie Gelb, Rot oder pastellfarbenen Washed-Out-Tönen. Wie so Vieles ist dies jedoch immer eine Frage des Vertrauens. Setzt also einfach auf Altbewährtes, es ist grundsätzlich die einfachste und zudem sicherste Variante. Zwei weitere Möglichkeiten sind das Ummanteln des Hakenköders mit Teig und ein mit Maden getoppter Pop-Up oder Wafter. Bei meiner Instantangelei ist eine dieser zwei Optionen grundsätzlich Pflicht.

Als Beifutter setze ich ausschließlich auf PVA-Bags oder -Sticks in verschieden Größen. Der wichtigste Faktor ist die Löslichkeit und somit die Lockwirkung. Feiner Boiliecrush, Stickmix aber auch Mikropellets finden hier Verwendung. Kleine Mengen Hanf, gecrushte Tigernüsse, Dosenmais und Maden sind jetzt das Non plus ultra. Zu guter Letzt ist natürlich auch bei der Verwendung von Futter in PVA eine Zugabe von Flüssigattraktoren ein ganz klares Muss. Hier gilt die Grundregel: Je mehr, desto besser!

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Für meine dritte Wintertaktik nutze ich deshalb ausschließlich Gewässer und Plätze, an denen ich selbst oder einer meiner Freunde bereits erfolgreich waren. In Kombination mit höchst attraktivem Futter steht dem so heiß begehrten Winterkarpfen dann meist auch nichts mehr im Wege! Außer natürlich der Zeit, und die ist ja bekanntlich geduldig…

Mottet euer Tackle also nächsten Herbst nicht wieder ein oder holt es jetzt vielleicht doch schon wieder frühzeitig aus dem Winterschlaf zurück und probiert euer Glück!

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