Ein Daytrip
am Bach

Ein Tagestrip mit Tobias Steinbrück
10 Minuten Lesezeit
Es ist eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Das Karpfenangeln am Fluss. Suchen, finden und fangen – leichter gesagt, als getan. Das weiß auch Tobias Steinbrück, der in den letzten Jahren das Flussangeln schätzen gelernt hat. Viele Stunden hat er damit verbracht, die Fische zu suchen, zu finden und zu beangeln. Am Ende mit Erfolg, doch Tobias kennt es auch, wenn mal gar nichts geht. Er hat uns in einem Gespräch sehr viel verraten und einen Teil dessen wollen wir an dich weitergeben, damit auch du die Passion Flussangeln mehr und mehr spüren und lieben lernen kannst. Unser Redakteur Felix Kaczmarek ist um 04:00 Uhr morgens zu Hause gestartet, um sich pünktlich um 07:00 Uhr mit Tobias Steinbrück beim Bäcker in seinem Heimatdorf zu treffen. Los geht´s – wir nehmen dich mit auf eine Reise an den Bach.

07.00 Uhr

Der rote Caddy rollt an. Kurze Zeit später folgt der weiße Caddy. Wir sind beide pünktlich, aber auch müde und dennoch keimt die Motivation unaufhaltsam auf. Um genau zu sein, reanimieren wir unsere Geister beim Bäcker. Dort mache ich immer halt, bevor es an den Fluss geht. Der Pit Stop in der Backstube ist im Winter Pflicht. Es ist einer der guten Gründe, sich bei diesem Wetter aus dem Bett zu schälen. Die Bäckerin weiß, was ein Carper Social ist. Allein bin ich nämlich nie dort.

Ich gehe fast nie im Winter allein an den Bach. Meist begleitet mich Mario Winter oder Sven Möller. Dieses Mal ist es Felix. Beim Kaffee XXL und etwas frischem Gebäck halten wir unsere Lagebesprechung ab. Das iPhone ruft am Stehtisch die Wetter App auf, parallel dazu auch den aktuellen Pegelstand. Beide Informationen sind wichtig. Ich kenne den Fluss wie meine Westentasche. Je nach Witterung und Wasserstand entscheide ich just in dem Moment, welchen Kolk oder welche Strecke in Frage kommt. Ein Beispiel gefällig?

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Kommt Regen, trübes Wasser und Unrat den Fluss herunter, lege ich meine Montagen gerne in dem großen Kolk aus. Der große Kolk ist fast 3 m tief. Dorthin ziehen sich die Fische zurück, wenn der Bach zorniges Hochwasser mit sich bringt. Ist der Himmel klar und der Wasserstand niedrig, geht’s an die Strömungskanten oder, ab Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht, in flache, strömungsarme Bereiche. Die Karpfen nutzen gutes Wetter aus, indem sie des Öfteren auf Wanderschaft gehen und zwischen den verschiedenen Bereichen umher switchen. Da die Unstrut sehr flach ist, konnte ich die Fische immer wieder beobachten und ihr Verhalten so gut es ging in Erfahrung bringen. Rückschlüsse durchs Team sind auch wichtig. Als Gemeinschaft haben wir uns immer beraten und Infos ausgetauscht. So war es uns schneller möglich den Fluss zu verstehen. Heute profitiert jeder von diesen Infos der letzten Winter, in denen wir Freud und Leid am gefrorenen Flussufer teilten.

Es ist in der Backstube warm, draußen ist es nasskalt, ungemütlich und dunkel ist es obendrein. Der Wasserpegel aktuell auf „Normalnieveau“. Es gab zu wenig Niederschläge in den letzten Wochen. Die Temperaturen sind frostig. Felix hat einen guten Termin für unser Vorhaben ausgesucht. Pures Glück. Aber Glück ist eben auch ein wichtiger Bestandteil, um am Fluss Erfolg zu haben. Perfekte Bedingungen. Etwas angespannt bin ich dennoch. In den letzten Wochen ist es unruhig an dem einst einsamen Flussufer geworden. Ich hoffe, dass wir allein sind und somit freie Stellenwahl haben.

Viele Angler haben das Winterangeln an der Unstrut neu für sich entdeckt. Bedingt durch den letzten heißen Dürresommer sind die Fische diesen Winter im Nachholbedarf. Sie haben kaum Fettreserven anlegen können und fressen aktuell mehr als sehr gut. Das hat sich rumgesprochen.

07.10 Uhr

Es dämmert, wir müssen los. In der blauen Stunde brechen wir also auf. Nur 20 Minuten sind es bis zum Parkplatz am Flussufer. Für mich ist der Weg Routine. Ich fahre ihn fast blind. Jede Woche, manchmal auch mehrfach, halte ich dieses Prozedere ab. Jedes Schlagloch ist mir auf der Piste bekannt. Felix ist dicht hinter mir, der Berufsverkehr beginnt.

Auf dem Parkplatz steht kein weiteres Auto. Wir sind also allein. Der Plan geht bis hierher auf.

Die Sonne geht auf. Wir müssen los. Sobald sie Umgebung mit Licht flutet, müssen wir die Ruten im Wasser haben. Flussangeln am Tage…

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07.30 Uhr

Zu Fuß über frostigen Boden

Bis zur Angelstelle müssen wir einen langen Fußmarsch hinnehmen. Ca. 300 m durch unwegsames Terrain. Dabei passieren wir eine Eisenbahnbrücke, einen Staudamm und 200 m ungemütliches Flussufer. Das ist aktuell zum Glück gefroren, ich kenne es auch matschig-schmierig. Einen Trolley können wir auf diesem Weg nicht nutzen. Wir satteln also alles selber auf. Meine Ausrüstung ist auf das Nötigste beschränkt. Ein Rucksack mit Ködern, Tacklebox, Fotoapparat und einer Kanne Tee. Dazu kommen die Ruten, Bank Sticks und eine Abhakmatte. Alles zusammen ist gut alleine tragbar.

08.10 Uhr

Die Ruten liegen

Eine Montage platziere ich an der Strömungskante. Meine Hoffnung ist, umherziehende Fische damit abzupassen. Bei diesem Wetter müssen die Karpfen aktiv unterwegs sein. Ich bin mir sicher. Die andere Montage landet im verkehrsberuhigten Bereich. Also in einer Mulde einer Außenkurve. Dort ist es gerade Mal 0,75 cm tief. Ob die Fische im Winter so flach fressen? Na aber Hallo. An dieser Stelle fing ich letzten Winter über 15 Karpfen. Hätte ich die Fische nicht dort beim Fressen beobachtet, wäre ich nie auf die Idee gekommen, so extrem flach zu angeln.

 

09.00 Uhr

Biss!

Die Rute in der ruhigen Zone verneigt sich. Strömung und Unrat kann es also nicht sein, der sich auf die Schnur schiebt. Es muss ein Biss sein. Als ich dies registriere, prescht die Rollenbremse los. Der Fisch zieht stetig den Fluss hinunter. Als ich die Rute aufnehme, ist er schon gute 30 m davon gekommen. Das Blei hat er bereits ausgeklinkt. Mit den 200 Gramm im Safety Clip ist das kein Problem. Mein Vorteil – der Fisch lässt sich ohne Blei oder Steingewicht im Schlepptau eher an der Oberfläche drillen. Eine Tatsache, die nicht nur im Sommer an der verkrauteten Kiesgrube funktioniert, sondern auch hier am Fluss im Winter. Der Fisch hält also die Schnur weg von den gefährlichen Steinbrocken, welche die Uferböschung säumen. Ich laufe dem Fisch hinterher wie ein Hund, den ich an der Leine habe. Bevor ich ihn gegen die Strömung zu mir ziehe, folge ich ihm. Das verringert die Aussteigerquote. Mein Haken hält, was er verspricht. Der Fisch kommt dem Kescher nahe. Die Strömung geht von links nach rechts. Den Kescherkopf platziere ich rechts unten, der Fisch kommt von links. Ich lasse ihn in einer guten Position einfach in den Kescher treiben. Als er in den Maschen verschwindet, hebe ich den Kescher nur noch an. Strike – der Ansitz hat sich gelohnt.

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09.18 Uhr

Die Ruten liegen wieder

Beide Montagen habe ich mit Fertigboilies aus der Tüte, also mit self live Ködern versehen. Ich mag 15 mm als Ködergröße. Diese ähnelt der natürlichen Nahrung im Fluss am meisten. Die Fische ernähren sich hier von Wasserschnecken (Posthornschnecken), wenn sie kein Tubifex fressen. Citruz und Scopex Squid sind meine Favoriten. Beide Köder sind absolut kaltwassertauglich und besitzen ausreichend wasserlösliche Lockstoffe, die sich auch bei kalten Temperaturen lösen.

Das Wasser ist kalt. Die Fische stehen wir festgenagelt in ihrem Terrain. Sie schwimmen, fressen aber nur wenig. Es wird Zeit aufzubrechen.

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09.24 Uhr

Wir warten gespannt und nichts passiert. Nichts Neues. Hat man an dem kleinen Bach einen Fisch gefangen und somit Unruhe verbreitet, suchen die Fische das Weite. Sie nehmen Reißaus. Ich vermute, dass dies aktuell der Fall ist. Nur bei sehr kaltem Wasser und derbem Frost verschwinden die Fische nicht einmal bei Unruhe am Ufer. Dann bleiben sie förmlich festgenagelt im Terrain, fressen aber auch nicht wirklich. Ich kurbel die Ruten rein und suche stromaufwärts neue Plätze.

09.30 Uhr

Nach 70 m Fußmarsch erkenne ich Bugwellen, die gegen den Strom auflaufen. Ein Indiz für einen Karfpentrupp. Nun heißt es abducken und die Ruten unauffällig auspendeln.

10.00 Uhr

Die Ruten liegen perfekt. Mit etwas Grundfutter bekommen die Bleie eine ordentliche Panade. Einen Instant-Lockstoffmantel, wenn man es so will. Das Grundfutter soll die Aufmerksamkeit der Fische gewinnen, die hier gerade unterwegs sind. Beide Montagen liegen an der Strömungskante. Hier müssen die Fische entlang, wenn sie ohne großen Energieaufwand den Fluss passieren wollen.

10.30 Uhr

Keine Anzeichen von Fischaktivitäten. Wir beschließen uns etwas weiter wegzusetzen. Weg von dem sensiblen Flussufer, wo jeder Fisch unsere Anwesenheit förmlich spürt. Jeder Schritt und jedes Wort können zu viel sein, wenn man sich an so winzigen Gewässern zu schaffen macht.

Flussangeln ist so unverwechselbar. So unglaublich ehrlich. So unfassbar wunderbar. Ich liebe es und die vielen Auf und Abs an meinem Flusslauf.

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11.35 Uhr

Jetzt endlich. Erneut ein Biss. Dieses Mal ohne Vorwarnung. Der Fisch zieht gegen den Strom. Von wegen „go with the flow“. Mir soll’s recht sein, denn weiter unten liegt ein Baum im Wasser. Den erreicht er so schon einmal nicht. Ich folge ihm und schöpfe ihn direkt bei einem Richtungswechsel ab. Dieser Fisch war auch sicher gehakt und in einem tadellosen Zustand. Ich bin überglücklich. Zwei Fische in so kurzer Zeit sind keine Selbstverständlichkeit. Vor allem nicht dann, wenn jemand dabei ist, den dieser Fluss nicht kennt. 

12.00 Uhr

Unsere Füße sind klamm, etwas kalt. Ich denke an den Truck Stop. Wie schaut’s aus, Felix? Bock auf eine warme Gaststube und ein Bauernfrühstück? Ich erkenne Felix‘ Blick. Er sieht die Sache so wie ich. Wir beschließen den Rückzug. Sollen die Fische ihre Ruhe haben. Zumindest für heute von uns.

14.00 Uhr

Wir sehen uns!

Felix tritt den Heimweg an und ich mache mich fertig für die Spätschicht. Keine Zeit zum Angeln? Nein! Es gibt immer Zeit, auch wenn sie knapp bemessen ist.

Ein Artikel von Tobias Steinbrück