Christopher Schneider

ELBE BEI HOCHWASSER IM HERBST

11 Minuten Lesezeit

Christopher Schneider

Herbst unter Strom

Das Fischen an der Elbe ist für mich jedes Mal eine Herausforderung, man weiß nie, was einen erwartet. Mit der Elbe als Fluss vor der Haustür ist es für mich ein klares Heimspiel, welches aber nicht heißen soll, dass immer alles so funktioniert, wie man es sich vorstellt oder gern wünscht. Der erhoffte Erfolg bleibt leider oftmals aus. Die Elbe hat ihre eigenen Gesetze, sei es das wechselhafte Wetter oder auch der Wasserstand mit seiner Stromstärke, welcher sehr flach bis hin zu extremen Hochwasser mit Überschwemmungen sein kann. Die Landschaft und Tierwelt ist wunderschön und einzigartig zugleich. Alles ist noch sehr unberührt, hier sagen sich noch Hase und Igel gute Nacht. Der sehr gute Fischbestand, sowie die Artenvielfalt macht es jedes Mal zu einer Überraschung und wer einmal einen Stromfisch an der Leine hatte, weiß, wovon ich in den nächsten Zeilen rede. Breite Nacken, handgroße Flossen und eine enorme Kraft machen selbst jeden halbstarken Fisch am Band zum ultimativen Drillerlebnis. Aber genau das ist es, was es für mich so interessant macht und mich jedes Mal wieder motiviert, an den Strom zu fahren, um zu fischen.

Anzeige

Autumn

Es ist ruhig geworden am Wasser, sehr ruhig sogar. Der Oktober endet bald und die ganze Landschaft und Pflanzenwelt hat sich verändert. Die Blätter der Bäume und Sträucher haben sich bunt gefärbt oder sind bereits herabgefallen. Die Tage sind endlich wieder kürzer und die Nächte länger, kühler und feuchter geworden. Die meisten Schönwetterangler haben bereits ihr Tackle winterfest verstaut und bleiben lieber Zuhause. Jetzt erst beginnt für mich die schönste Zeit des Jahres: der Herbst – endlich ist er da!

Wenn es etwas gibt, was ich in der Herbstzeit liebe und genieße, dann ist es die Einsamkeit und das nasskalte Wetter, welches die meisten Angler meiden. Genau dieses bemerken auch die Fische und der ein oder andere große Herbstbulle, welcher zu einer anderen Zeit viel vorsichtiger wäre. Es ist Fettnerzeit, die Fische müssen fressen und sich auf den kalten, langen Winter vorbereiten. Nun kann man auch mehr und mehr die Graugänse und Kraniche bei dem in den Süden ziehen hören und am Himmel beobachten. Das ist jetzt genau mein Zeichen, endlich wieder raus an die Elbe zu fahren.

Hochwasser

Endlich stieg das Wasser enorm an und ich konnte meine alten, aus den Vorjahren bekannten Spots in den Nebenarmen und Hafenbecken mit ordentlich Futter präparieren. Einige Vormittage verbrachte ich nun damit jede, Menge Boilies in unterschiedlichen Größen und endlos viele Partikel wie Mais, Hanf und Tigernüsse an den Spots mit dem Schlauchboot zu füttern. Dabei hatte ich die Hoffnung, dass die Fische den starken Druck der Strömung im Hauptstrom meiden würden und sich in die ruhigeren, wärmeren Zonen begeben, um noch einmal Kraft zu sammeln und sich ordentlich Fett für den kommenden Winter anzufressen. Mit dabei und immer an meiner Seite meine beiden französischen Bulldoggen Scotty und Lotta. Auch ihnen war anzusehen, wie sie die Jahreszeit genossen.

Der Wasserstand blieb nun konstant hoch stehen und ich plante meine erste Session an einem Hafenbecken. Am Hafen angekommen war wie so oft das bekannte Bild zu dieser Jahreszeit, eine wahnsinns Stille, niemand war weit und breit zu sehen. Bis auf die Trompetenklänge der Kraniche, welche man aber auch die ganze Nacht hindurch hören konnte. Das Camp wurde aufgebaut und die Ruten spät am Abend mit großen Boilies in 24-32 mm beködert. Alle Ruten legte ich weit voneinander in unterschiedlichen Tiefen zwischen 3-6 m direkt an einem Deckwerk mit dem Schlauchboot und Verbrennermotor aus. Das Deckwerk, bestehend aus unterschiedlich großen Steinen, ist für mich immer die erste Wahl. Die Eigennahrung wie Muscheln, Krebse, Würmer, Larven und Krabben zwischen und unter den Steinen ist üppig und proteinreich. Das wissen die Flusskarpfen sehr genau. Ein weiterer Vorteil des Deckwerkes ist, dass jede Menge Futter, welches ich in der vorherigen Zeit gefüttert hatte, auch darin liegen geblieben ist und nicht durch eventuelle Strömung weggespült wurde. Ehe ich mich versah, war es auch schon wieder dunkel geworden und die Temperatur schlagartig in den einstelligen Bereich gefallen. Ich genoss noch eine heiße Tasse Tee und bereitete alles für die erste Herbstnacht an der Elbe vor.

Anzeige

Seine Schuppen: So groß wie Apfelscheiben. Irre!

Es war noch stockdunkel, als der Delkim Bissanzeiger früh morgens ohne Pause losschrie. Ich musste einige Meter durch das Wasser waten, bis ich an der Rute ankam und Kontakt zum Fisch aufnehmen konnte. Der Fisch riss mir dermaßen viel Schnur von der Rolle herunter, dass ich sofort beschloss, in das Schlauchboot zu steigen und ihn von dort aus zu drillen und genau das war auch die richtige Entscheidung. Schnell noch die Schwimmweste an und los ging es in Richtung Fisch. Der Drill war wie so oft spannend und hart zugleich, der Karpfen versuchte immer wieder in die Richtung des Hauptstroms zu flüchten. Er durchbrach das erste Mal die Wasseroberfläche und ich nutzte sofort meine Chance. Nach einer sicheren Landung bemerkte ich erst bei dem in das Schlauchboot heben, was da auf einmal im Rücken schmerzte. Wahnsinn – was für ein gewaltiger Fisch! Ein Fisch, der auch gerne mal gewogen werden wollte, dachte ich mir. Die Waage blieb abzüglich des Slings bei 26 kg stehen. Es handelte sich um einen uralter Spiegler mit Schuppen so groß wie Apfelscheiben – und das aus dem Fluss! Ich war einfach nur sprachlos und überglücklich zugleich. Am Nachmittag nutze ich die Chance und band neue Rigs für die nächste Nacht. Dabei konnte ich die Eisvögel an ihrer Höhle beobachten und filmen. Die zweite Nacht verlief ruhig und leider sollte der Fisch aus der ersten Nacht der einzige der Session bleiben.

Anzeige


Ich fütterte die ganzen nächsten Tage weiter hindurch die Spots und einige Tage später ging es für mich und die beiden Bullys wieder an den Hafen. Der Wasserstand war immer noch unverändert hoch und konstant. Am Wasser angekommen, brach die Nacht und deren Dunkelheit wieder so schnell ein, dass ich die letzte Rute erst im Stockdunkeln ausgelegt hatte. Noch früh am Abend genoss ich wieder den Klang der Graugänse und ziehenden Kraniche bei einer heißen Tasse Tee. Und plötzlich – wieder völlig unerwartet – der bekannte Dauerton des Delkims. Schnell war ich an der Rute und hatte sofort Kontakt zum Fisch, welcher wieder alles gab. Wahnsinn! Der nächste dunkel beschuppte Recke aus dem Strom. Diese Wut und die harten Kopfschläge der Flussfische im Drill ist einfach unbeschreiblich. Sofort wurde die Rute wieder mit jeder Menge Futter mit dem Schlauchboot ausgelegt und ich legte mich zurück in den Schlafsack. Die Nacht verlief ruhig. Ich hatte meinen Wecker noch vor dem Sonnenaufgang gestellt, um ein eventuelles optisches Zeichen oder Buckeln der Fische lokalisieren zu können.

Und tatsächlich. Ich konnte einige Fische am Spot beobachten, bis auch schon wieder die Rute ablief, bevor ich meinen heißen Kaffee ausgetrunken hatte. Der kompakte, dicke Spiegler gab auch erneut alles und bescherte mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Rute wurde sofort wieder ohne Beifutter auf den Spot geworfen. Da ich kurz zuvor erst die Fische beobachten konnte, mussten sie doch noch da sein und fressen. Ich wollte gerade beide Fische ablichten, da meldete sich schon wieder dieselbe Rute – diesmal aber anders, nur durch leichte kleine Piepser am Delkim. Ich nahm die Rute trotzdem auf und merkte kaum Gegendruck. Meine Vermutung lag bei einer Brasse oder einem anderen Weißfisch, welcher es irgendwie geschafft haben muss, sich trotz 32 mm Boilies aufzuhängen. Aber weit gefehlt. Auf einmal eröffnete sich mir eine schnelle Flucht und ein mächtiges Klatschen an der Wasseroberfläche. Ich traute meinen Augen zuerst nicht… Ein wunderschön gefärbter großer Zander hing am Haken! Klar, die Elbe ist voll mit diesen schönen Stachelrittern – aber an einer Boilierute? Egal! Nach einem schnellem Foto durfte auch er mit den anderen beiden Karpfen wieder zurück in den Fluss. Danach ging es wieder nach Haus, voller Erwartung auf die nächste Session.

Nun war es bereits Ende November geworden und meine letzte Session des Jahres stand bevor. Tagelang war ich wieder mit dem Füttern der Spots beschäftig, um die Fische bei Laune zu halten. Langsam sollte auch der Wasserstand sinken und die Karpfen würden dann wieder weiter in andere Sektoren ziehen. Der Ablauf war wie immer derselbe, nur, dass ich dieses Mal eine Rute genau an der Spundwand abgelegt hatte. Vom Land aus sieht so eine riesige Wand aus Metall nicht wirklich spektakulär aus, aber unter Wasser haften jede Menge Muscheln und andere kleine Lebewesen daran, welche auf dem Speiseplan der Flusskarpfen stehen. Und es war genau diese Rute, welche sich recht früh am Abend meldete. Ein gewaltiger Spiegler mit einem deformierten Maul landete im Kescher, wieder weit über der Zwanzig-Kilo-Marke. Die Fische schienen einen festen Zeitrhythmus zu haben, denn auch die andere Rute, welche wieder am Deckwerk lag, lief in den frühen Morgenstunden ab. Ein goldgefärbter Schuppenkarpfen krönte den letzten Tag der Session ab.

Anzeige

Das Wort „klein“ ist kein Begriff für den Fluss. Groß muss alles sein! 

keine Angst vor großen Ködern

Das A und O ist das Futter und deren Menge in der Elbe. Weniger ist meist mehr, ist in der Elbe nicht wirklich zutreffend. Wenn man die Fische erst einmal gefunden hat und genau weiß, wo sie sich befinden und langziehen, dann kann man auch ruhig große Massen füttern, um sie dort halten zu können. Jede Menge Weißfisch und andere Arten wie die Wollhandkrabbe bedienen sich auch am Futterplatz und sorgen dafür, dass er schnell leer gefressen ist.

Bei den Ködern am Haken darf man keinerlei Scheu haben. Selbst die asiatischen Graser lassen sich sowohl mit zwei kleinen Maiskörnern, als auch mit 32er Bigballs fangen. Große Hakenköder haben den Vorteil, dass man etwas selektieren kann und sich somit nicht so schnell ein Weißfisch aufhängt. Die Eigennahrung der Karpfen im Strom ist enorm gewaltig und proteinreich. Muscheln, Krebse, Krabben, Larven oder Würmer sind mehr als vorhanden. Aber diese proteinhaltige Nahrung benötigen sie auch, da sie viel Energie in der Strömung verbrauchen.

Die Wollis

In der Regel hat man zu der späten Jahreszeit und mit der schon recht kühlen Wassertemperatur selten Ärger mit den aus Asien eingeführten Wollhandkrabben. Denn sonst fressen sie einfach alles, was sie vor die Nase kriegen, egal ob süß, sauer oder fischig im Geschmack und sie können auch jedes Vorfach, egal ob geflochten oder monofil, mit ihren kräftigen Scherenhänden durchtrennen. Mit dieser Plage muss man einfach in der Elbe leben. Im schlechtesten Fall, wenn diese ungewollten Gäste sehr aktiv sind, kann man nur mit sehr dickem Mono als Vorfach fischen und die Hakenköder künstlich einwrappen und regelmäßig kontrollieren. Die Hakenköder mit einem Dip aus Salz benetzen ist auch ein kleiner Tipp, welches diese haarigen mit Scherenhänden bestückten Ungetüme nicht mögen.

Mein Setup.

Zum Thema Tackle am Fluss streiten sich wie immer die Geister und die unterschiedlichen Meinungen gehen gern weit auseinander. Ich kann nur über meine Erfahrung sprechen und gehe immer gern auf Nummer sicher. Das ganze Gerät wird stark beansprucht und kann oft an seine Grenzen gehen. Meine Sportex Morion ST Ruten sind etwas kräftiger im Rückgrat und arbeiten im Drill viel mit der Spitzenaktion. Mit einer Länge von 12 ft und 3,25 lbs habe ich jede Menge Reserven und kann auch gut und gerne mal im Notfall gegenhalten. Die Rollen müssen nicht wirklich gewaltig oder riesig sein, da die Entfernungen in den Hochwasserzonen sich meist in Grenzen halten. Als Hauptschnur verwende ich eine schnell sinkende Climax Flash Braid in 0,25 mm als Geflecht. Knoten und Abriebfestigkeit sprechen unter diesen Umständen am Fluss für sich. Schnell sinkend deswegen, weil man immer mit eventuellem Schiffs- oder Sportbootsverkehr rechnen muss. In der Regel senke ich auch jede Rute mit einem Captive zusätzlich ab. Als Schlagschnur benutze ich die Climax Haruna Softleader. Sie ist extrem abriebfest, dennoch sehr weich und lässt sich selbst in höheren Stärken bis 0,80 mm leicht an die Hauptschnur knoten. 

Drei Rutenlängen sind völlig ausreichend für den Einsatz am Fluss. Die Schlagschnur ist am Fluss unablässig, da scharfe Dreikantmuscheln oder Steinpackungen an dem Deckwerk schnell einen Fisch abreißen lassen. Außerdem verwende ich ein Lead Core bis 45 lbs, welches ich mir gern in einer Länge von 100 cm bis 120 cm selber spleiße. Ein einfaches 170 bis 200 g schweres Inline Grippa Blei sorgt dann für den festen Halt am Futterplatz. Das Vorfach ist in erster Linie sehr steif und kurz gehalten. Ob ich hier auf ein beschichtetes Climax Cult Skin Braid oder Fluoro Carbon Mono tendiere, ist situationsabhängig. Die Hakengröße und deren Stärke darf auch etwas gröber ausfallen. Er sollte aber nach jedem Fisch oder Köderwechsel begutachtet werden. Schnell ist jeder noch so gute und scharfe Haken durch einen Stein stumpf und unbrauchbar. Denn nur ein scharfer Haken fängt.

Ich hoffe, ich konnte dir einen kleinen Einblick in meiner Fischerei an der Elbe geben.

Ihre Nacken. Ihre Flossen. Ihre Kraft. Alles ist eine Nummer größer.

Ein Artikel von Christopher Schneider