Ein Artikel von Tobias Veigl 

Alle guten

Dinge

9 Minuten Lesezeit

Wenig Zeit. Viel Fisch?

Mit schnellen Griffen und hektischem Gemüt öffnete ich meinen Brolly. Das laute Prasseln des unnachgiebigen Regens auf meinem Autodach übertönte so manchen Fluch, der mir in diesem Moment entwich. Es wurde langsam dunkel und ich hatte gehofft, es würde nur ein kurzer Schauer werden, als ich mit dem Wagen auf den Feldweg abgebogen war. Doch daraus wurde nichts. Ich stand bereits förmlich im Wasser. Der dunkle Himmel öffnete alle Schleusen über mir und dann musste ich auch noch das Schlauchboot aufbauen, um die beiden Ruten zu fahren. Das ging ja gut los…

Es ist nicht meine erste Session an diesem nahe einer Bundesstraße gelegenen und verkrauteten Baggersee. Zwei Mal versuchte ich es für je zwei Nächte, nicht nur an diesem See, sondern auch genau an dieser Stelle. Ein Jahr zuvor im Herbst. Doch beide Sessions vergingen ohne Aktion und ohne Erkenntnisse über die Aufenthaltsorte der Fische. Den See hatte ich schon länger im Auge und wollte neben meinen Hausgewässern, die ich größtenteils unter der Woche für kurze Abende befischte, ein paar Gewässer im weiteren Umkreis meines Wohnortes besuchen. Natürlich wollte ich trotz des geringen Zeiteinsatzes als Gast auch etwas auf die Matte legen.

 

Der von mir ausgesuchte Platz lag in der nordwestlichen Ecke und bot neben einem großflächigen offenen Areal mit weichem Boden zu meiner Rechten auch eine verkrautete Kante und flacheres Wasser mit überhängenden Büschen sowie einem im Wasser liegendem Baum zum linken Ufer. Während der ersten beiden Versuche im Vorjahr verteilte ich die Ruten in unterschiedlichen Arealen und fütterte großflächig mit einigen harten 24 mm Fischmehlboilies. Diese Herangehensweise schien zunächst sinnvoll, da das Gewässer ein starkes Weißfischaufkommen haben sollte. An meinen Hausgewässern war ich damit den immensen Mengen an Brassen und Karauschen größtenteils aus dem Weg gegangen.

Die Aussicht war von diesem Punkt des Gewässers aus wahrlich nicht schlecht und man konnte sehr viel des Wassers einsehen. Jedoch konnte ich trotz der guten Aussichten, keinen Fisch auf der Habenseite verbuchen. Während meiner Anwesenheit kam ich auch mit ein paar anderen Anglern ins Gespräch. 2-3 Nächte pro Fisch, so schien die generelle Ausbeute zu sein, doch ich wollte bewusst nicht so viel Zeit investieren, um ein oder zwei Karpfen zu fangen. Bei meinen Besuchen und Beobachtungen während der Sessions fiel mir stark auf, dass meine Herangehensweise mit großen und harten Fischmehlködern im Gegensatz zu meinen sonst so wenig beangelten, da dünn besetzten Hausgewässern, hier zum Standardrepertoire gehörten. Doch war es hier auch ein sinnvolles Vorgehen?

Bojen. Überall Bojen.

Nach diesen beiden erfolglosen Versuchen war ich keinesfalls niedergeschlagen. Der ausbleibende Erfolg spornte mich erst recht an, im nächsten Jahr zurückzukommen und mit einer anderen Herangehensweise an die Fische heranzugehen.

Zurück in der Gegenwart war ich nun dabei, im strömenden Regen meinen Schirm aufzustellen und dann noch das Boot und die Ruten fertigzumachen. Diesmal war ich jedoch nicht ohne Grund an diesem Platz, könnte ich mich doch in anderen Arealen ebenfalls niederlassen. Zuerst hatte ich auch genau das vor. Doch als ich auf der Ostseite ankam und meinen Blick schweifen lies, musste ich feststellen, dass direkt vor dem Platz die Bojen der anderen Karpfenangler von rechts und links das Areal dicht machten. Mein Fernglas half mir von dort einen guten Blick über den See zu haben und es  sprangen in der nordwestlichen Ecke mehrere Karpfen in kurzen Abstand. Sofort lud ich das wenige Equipment, das bereits ausgepackt war, wieder ein. Im Anschluss fuhr ich den Weg des Kiesabbaugeländes auf die andere Seeseite. Der heftige Regen machte den Aufbau des Tackles nicht leichter, aber mit entsprechendem Ansporn auch etwas zügiger.

Futter – das muss arbeiten.

Ködergröße: groß!

Nachdem ich durchnässt auch das Schlauchboot stehen hatte, ging es noch ans Ruten fahren. Da ich das Areal mittlerweile sehr gut kannte, wusste ich, an welchen Stellen die Montagen ihren Weg zum Grund und nicht ins Kraut finden würden. Die eine führte ich direkt vor den Baum auf der linken Uferseite, dort fand ich mit der Unterwasserkamera und dank des eingebauten Lichtes im Gehäuse auch in der Dämmerung noch einen ca. 2 qm großen Platz mit kurzem Bodenkraut. Die zweite kam in etwa 80 m Entfernung auf derselben Uferseite an eine Kante in knapp 1,5 m Tiefe. Über der Kante lag eine kleine, sehr flache aber auch stark verkrautete Zone und etwas tiefer reichten lange Krautfahnen bis kurz unter die Oberfläche. Diese Punkte würden die Fische beim Umherziehen in diesem Bereich sicher passieren. Zudem boten sie einen verhältnismäßig guten Untergrund, um die Köder zu präsentieren.

Die Montagen und Köder wurden im Vergleich zum letzten Mal umgestellt. Statt großer selektiverer Boilies setzte ich sowohl auf einen kleinen auffälligen Schneemann an der einen und auf zwei kleine Tigernüsse an der anderen Rute. In beiden Fällen setzte ich auf kurze ummantelte Vorfächer, bei denen ich nur das Haar weich ließ. Die wichtigste Änderung jedoch lag im Beifutter. Aus Grundfutter, schnell löslichen 6 mm Pellets, ein paar wenigen Tigernüssen, sowie fein gecrushten Boilies ließen sich unter der Zugabe von ordentlich Liquid kleine Ballen formen, die sich in der Wassersäule schnell lösen und somit sehr viel Attraktion bei minimalem Futtereinsatz erzeugen.

Bei diesem hohen Angeldruck und dem entsprechend hohen Eintrag von Futter, in Form von vielen großen Proteinbomben, war es im Nachhinein nicht überraschend, keine Bisse zu bekommen. Im Vorjahr kreierte ich mir mit meinen Hakenködern nur Nadeln in einem Heuhaufen. Ein Haufen aus dem die Karpfen wahrscheinlich im Vorbeikommen ohnehin nur wenige Happen herauspickten, gab es doch dank der Angler Futter im Überfluss.
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Gönn dir. Gönn ihnen: Attraktivität.

Nun lagen die Hakenköder inmitten einer Attraktionswolke, in der es für die Fische nur sehr wenig wirklich Fressbares gab. Diese kleinen Fallen, die ich in dieser Form sonst eher im Winter einsetzte, sollten mir innerhalb des kurzen Zeitraumes mehr Aktionen bringen. Tatsächlich musste ich nicht lange auf den ersten Biss warten. Gerade als ich alles geordnet hatte und mir einen Tee aufsetzen wollte, lief die linke Rute mit dem Schneemann im Dauerton los. Trotz des hohen Krautaufkommens, drillte ich den Fisch vom Ufer, da der Platz ohnehin nicht weit entfernt war und sich nur ein niedriges Krautfeld zwischen uns befand. Ich war sehr angespannt, immerhin hatte ich bereits 2 Wochenenden hier verbracht und schon Gedanken daran verschwendet, dass es hier keine Fische gibt. Es erschien mir in diesem Moment so unwirklich. Mein Gegenüber zog langsam an strammer Leine seine Bahnen. Ich merkte schnell, dass es keiner der mir so gewohnten Satzkarpfen war. Langsam pumpte ich ihn über das Kraut vor mir und im leichten Schein der Kopflampe zeigte sich die Flanke eines charakteristischen Schuppenkarpfens. Langsam schob ich den Kescher unter den Fisch, bis ich diesen anheben und sicher auf der Habenseite wusste.

Nach diesem schnellen Einstand ruderte ich die Rute schnell wieder zurück auf ihren Platz. Mit dem Echolot konnte ich zügig die Stelle wiederfinden. Wieder bekam der Schneemann nur zwei faustgroße Ballen dazu. Über die nächsten beiden Stunden war ich förmlich euphorisch. Ganz in der Nähe konnte ich Karpfen springen hören. Doch zunächst verlief der Rest der Nacht ruhig. Ich war gerade am Aufwachen, ein kurzer Regenschauer hatte mich geweckt. Ich beobachtete, wie die Regentropfen von der Spitze meines Brollys das Material herunterliefen, als sich plötzlich die rechte Rute meldete. Der Einhänger ging kurz nach oben, nur um dann zu Boden zu fallen wie ein Stein. Schnell sprang ich in meine gelben Stiefel und nahm die Rute auf. Viel Schnur musste ich jedoch nicht aufnehmen, der Fisch saß im Kraut, also ab ins Boot. Anstatt mich zum Punkt, an dem der Fisch im Kraut steckte, über die Rute zu pullen, ruderte ich den Großteil der Strecke und nahm dazwischen immer wieder Schnur auf. Als ich über dem Fisch angekommen war, benötigte ich nur etwas Druck, sodass dieser sich löste. 

Die Sonne stieg bereits über den Horizont und ich war froh über die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut während ich auf die Rute starrte, denn die dicke Jacke war natürlich noch im Brolly gut verstaut. Immer wieder kam der Fisch, der sich schnell als Graser herausstellte, an die Oberfläche und explodierte dort, um mit rasanten Fluchten zurück zum Grund zu schwimmen. Er war nicht der Größte aber lieferte einen tollen Drill. Nach mehreren Versuchen, bei denen dieser aufgrund der Berührung mit dem Netz wieder brachial davonstürmte, bekam ich ihn endlich ins Netz. Graser am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, naja solange man sie nicht als Störenfriede sieht.

Alle guten Dinge sind…

Frühstück.

Erst mal Frühstücken, dachte ich, und setzte mich mit einer Schüssel Müsli in der Hand in mein Schlauchboot, genoss die Morgensonne des neuen strahlend blauen Tages und beobachtete das Wasser. Dreimal buckelte ein scheinbar großer Fisch über der weit entfernten Krautkannte. Und tatsächlich bekam ich gegen Mittag wieder einen Biss auf diese Rute. Diesmal konnte ich aber wieder vom Ufer aus drillen, da der Fisch sich von der Kante aus nach rechts ins offene Wasser bewegte. Wieder ein Schuppenkarpfen, diesmal aber eher in langer, schlanker Erscheinung.
Zum Abend hin kontrollierte ich die Ruten nochmal, um vor der letzten Nacht sicherzugehen, dass sie richtig liegen und die Haken scharf sind. Während des Auslegens bemerkte ich zwei andere Angler, die sich am rechten Ufer niederließen und Ihre Ruten ins offene Wasser warfen. Fische, die nun von rechts kamen, würden jetzt abgegriffen werden können. Doch ich sah, dass auch sie beim Ablegen ihrer Ruten große Mengen Boilies verteilten und sich somit die Aussichten auf einen Biss vermiesten, mir jedoch in die Karten spielten. Bei Sonnenuntergang zeigten sich nochmal drei Fische am linken Ufer vor dem Baum durch Rollen an der Oberfläche. Recht schnell schlief ich ein und wurde gegen Mitternacht von meiner linken Rute geweckt. Kurzer Fallbiss und der Fisch hing wieder im Kraut. Dieselbe Prozedur wie beim letzten Mal, mit abwechselndem Einholen der Schnur und Rudern. Obwohl der Spiegler am anderen Ende nicht der Kleinste war, ließ er sich wie ein nasser Sack Kartoffeln ohne viel Gegenwehr einsacken. Ab diesem Zeitpunkt war ich völlig glücklich und nahm mir vor, gegen Mittag des nächsten Tages zusammenzupacken, um den Sonntag noch Zuhause ausklingen zu lassen.
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Es war noch früher Morgen, ich wachte auf und war äußerst überrascht von dem dichten Nebel, der über dem Gewässer lag. Ich konnte durch die Büsche und Äste auch das nur 20 m entfernte Ufer zu meiner Linken nicht sehen. Kaum war ein Fuß in einem der Stiefel, lief schon meine rechte Rute im Dauerton los! Schnell in den zweiten Stiefel rein und ab an den Stock. Selbst als ich die Rute in der Hand hatte, nahm der Fisch weiter Schnur, nur auf Druck und ohne hektische Bewegungen. Um den Fisch nicht doch in einem Krautfeld zu verlieren, stieg ich nervös ins Boot und pumpte mich diesem langsam entgegen. Bereits nach wenigen Sekunden auf dem Wasser wurde ich vom dichten Nebel verschluckt, egal in welche Richtung ich auch blickte, ich konnte keine Umrisse des Ufers mehr erkennen. Doch das war jetzt nicht wichtig. Es ging mir nur um das starke Etwas am anderen Ende meine Schnur. Langsam kam ich über den Fisch, der bereits über tieferes Wasser geschwommen war. Stetig blieb dieser am Grund und machte mit langsamen aber kraftvollen Flossenschlägen Druck auf die Rute. So ging es sicher 10 Minuten, bis ich den Druck vorsichtig erhöhte. Der Fisch folgte diesem weiter zur Oberfläche und knapp unterm Boot erschien die Flanke eines großen Spieglers, der alsbald wieder zurück zum Grund flüchtete. Dieses Spiel wiederholte sich nochmal, bis ich ihn beim nächsten Fluchtversuch den Weg mit dem Kescher kurz vorm Boot versperrte. Einen Freudenschrei später hievte ich den massiven Spiegler auf die Bootsmatte. Zum Glück konnte man die Sonne auch im dichten Nebel erkennen und so wusste ich, in welche Richtung ich zurückrudern musste. Für manchen klein, doch für mich ein Ausnahmefisch mit knapp über 30 Pfund und PB. Ich freute mich riesig.

Die Rute ließ ich am Ufer und packte wenig später meine sieben Sachen ein. Mit bestem Heavy Metal in den Ohren und mächtig guter Laune verließ ich den Baggersee über das Gelände des Kiesabbaus entlang des Förderbandes, vorbei an den großen Hügeln aus Sand und Kies und machte mich auf die einstündige Rückfahrt. Der Schritt zu kleinen Ködern mit wenig aber hochattraktivem Beifutter war goldrichtig, konnte jedoch nur deshalb so gut bestehen, weil alle anderen gleichermaßen auf viel selektives Futter setzten und somit eine Situation schafften, die ich zu meinem Vorteil nutzen konnte. Beifänge hatte ich dort im Übrigen keine. Doch vor allem meinem Ehrgeiz, nach den ersten beiden Blanksessions die Flinte nicht ins Korn zu werfen, verdanke ich die Fische, die ich fing. Wahrscheinlich wären es sonst andere Fische an einem anderen Gewässer geworden. Jedenfalls kribbelt es mich gewaltig in den Fingern, während ich diesen Gewässerbesuch Review passieren lasse, mich dort einmal wieder hinzubegeben, gut vorbereitet und achtsam auf die Zeichen, die mir gegeben werden.