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Patrick Buhr

Unterwegs sein: Einstellungssache und Lebenseinstellung

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Karpfenangeln ist ein unglaublich facettenreiches Hobby. Was man daraus macht, das ist am Ende jedem einzelnen selbst überlassen. Ich verbrachte die ersten Jahre meiner Angelei an den Vereinsgewässern vor meiner Haustür. Hier habe ich das Karpfenangeln gelernt und mit Sicherheit auch viele schöne Stunden verbracht und einige tolle Fische gefangen.

Mit den Jahren verlor diese Angelei allerdings immer mehr ihren Reiz für mich. Es zog mich an neue, mir unbekannte Gewässer. Neue Vereine wurden erkundet, die ersten Touren nach McPomm gestartet und entsprechend auch das Tackle für solche Touren aufgerüstet. Mittlerweile mache ich jedes Jahr mehrere Touren ins Ausland, bin viel auch in Deutschland unterwegs und versuche immer neue Gewässer zu erkunden und mich neuen Herausforderungen zu stellen. Einfach unterwegs sein, das ist mein Ding!



Ich reise. Erkunde Gewässer. Erlebe Neues. Ja, Karpfenangeln bedeutet für mich auch unterwegs zu sein. I love it!

Nach vielen zweiwöchigen Trips oder manchmal sogar nur einem langen Wochenende im Ausland, träumte ich schon lange von einer wirklich langen Tour. Einfach mal losfahren. Ohne Stress. Einfach mal ins Blaue hinein. Nicht zu wissen, was kommt und einfach das Abenteuer genießen. Und im vergangenen Sommer bot sich dann endlich die Gelegenheit. Zwischen Studium und Berufseinstieg ergab sich ein Zeitfenster von einem Monat. Diese Zeit wollte ich unbedingt für einen Trip ins Abenteuer nutzen. Bis zuletzt dachte ich, dass mir noch irgendetwas dazwischen kommen würde und konnte es kaum glauben als ich, noch etwas verkatert von der Geburtstagsparty am vorigen Tag, in mein voll bepacktes Auto stieg. Als sich an der Autobahnauffahrt dann der Gestank meiner leider etwas zu früh abgekochten Tigernüsse im Auto ausbreitete, wurde mir ganz anders. Doch ich kämpfte mich mit offenem Fenster durch die ersten 800 km bis nach Bad Birnbach. Ein sehr willkommener Zwischenstopp. Eine 17-stündige Fahrt nach Südfrankreich wäre an diesem Tag für mich nicht drin gewesen. Thomas empfing mich mit offenen Armen, wir beluden mein Auto bis unters Dach mit dem Besten aus der Bait Fabrik. Danach eine wohltuende Dusche, ein leckeres Abendessen und ein super netter Abend, an dem wir bis ins Unermessliche über das Fischen und alle möglichen anderen Dinge quatschten. Das im Übrigen ist für mich eine Zusammenarbeit als Teamangler: Nicht der stumpfe Tausch von Baits gegen Werbung und Fischfotos, sondern eine familiäre Atmosphäre. So sollte es sein!

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Einfach mal los fahren, ohne Stress ins Blaue hinein. Nicht wissen, was kommt und einfach das Abenteuer genießen.

Ausgeschlafen und hoch motiviert ging es dann am nächsten Morgen weiter in Richtung Frankreich. Die Liste mit Gewässern war sehr lang. Kleine Big-Fish-Pools, große Flachland- und wilde Stauseen – alles war dabei. Ich will es kurz machen. Die erste Woche des Trips war nicht sehr entspannend und nicht das, was ich mir von dieser Tour versprochen hatte. An der Schweizer Grenze wurde mein komplettes Auto gefilzt, Boiliesäcke aufgeschnitten etc. Unter dem Kotzegeruch der Tigers mischte sich die Note von Fisch und Lebkuchen der Big River Boilies… Am ersten See (von ca. 20 ha) saßen 7 Angler und nach einem entspannten Bierchen mit den Heinzes und einer kurzen Nacht, ging es für mich weiter. Am zweiten See auch alles voll. Nach zwei Stunden Angeln wurde ich von meiner Stelle verjagt. Am dritten See ein verlorener Karpfen und um die 40 Brassen. Mittlerweile war auch noch das Echolot kaputt gegangen und langsam konnte ich nicht mehr darüber lachen. Ich verließ diese momentan doch sehr beliebte Ecke Frankreichs. Ich brauchte dringend unbekanntes Wasser.

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Als nach weiteren 400 Kilometern Fahrt am vierten See nach einer ordentlichen Futteraktion der einzige Fisch eine Brasse war, war ich kurz vorm verzweifeln. Eine Woche war ich bereits in Frankreich unterwegs und das ohne einen einzigen Karpfen! Mittags holte ich die Ruten ein, ließ alles im Auto auf einem Campingplatz und fuhr mit meinem Boot den kompletten See ab. Irgendwo mussten die Fische ja sein. Und tief hinten im See, flach in der Tagangelzone, fand ich sie. Es war der Wahnsinn. Gründelspuren, die ich zuerst für Schaumkronen hielt und immer wieder springende Fische. Die Karpfen hatten Mitte Juni noch immer nicht (fertig) gelaicht. Das taten sie erst 6 Tage nach meiner Anreise. Diese 6 Tage waren für mich unglaublich. Ein Fisch nach dem anderen lief ab. Es hagelte viele gute und vor allem auch wunderschöne Fische. Als der große Fullyscale vor meinem Boot hochkam, schlotterten mir doch ganz schön die Knie. Ein Fisch, mit dem ich absolut nicht gerechnet hätte. An diesem Punkt der Tour wurde mir wieder ganz stark bewusst, was ich beim Angeln eigentlich will. Von den Szenepools hatte ich definitiv erstmal die Schnauze voll. An diesem See saß ich alleine und fing Fische, die ich mir kaum erträumt hatte.

Als sie zu laichen begannen, war es dann auch in Ordnung. Ich hatte genug gefangen und Lust auf neue Abenteuer. Eigentlich wollte ich etwa drei Wochen des Trips mit zwei Kumpels zusammen fischen. Beide konnten jedoch aus verschiedenen Gründen leider doch nicht zu mir stoßen. Sehr schade, denn gerne hätte ich die Erlebnisse mit Ihnen geteilt. Doch auch alleine auf einer solchen Tour zu sein hat mittlerweile für mich seinen Reiz. Abgeschieden von allem, lebe ich meinen ganz eigenen Rhythmus am Wasser. Nach den ersten 10 Tagen war ich komplett in der Natur und in meinem Hobby versunken. Ich war absolut tiefenentspannt. Leider passierte auf dem Weg zum nächsten Gewässer dann auch schon die nächste Misere. Autopanne. Vorne beide Federn gebrochen und das auch noch am oberen Ende. Vielleicht hätte ich das Auto nicht ganz so voll laden sollen. Weiterfahren unmöglich. Zum Glück hatte ich mir gerade auf dem Weg einen anderen See angeschaut. Die drei Kilometer zum dortigen Campingplatz schaffte ich noch im Schneckentempo. Von dort aus ließ ich mein Auto abschleppen und saß hier nun für volle 10 Tage “fest“. In diesem Moment hatte ich wirklich schlechte Laune.

Alleine auf einer solchen Tour zu sein hat für mich heute seinen ganz eigenen Reiz. Abgeschieden von allem. Abgeschieden von jedem. Ich lebe in meinem ganz eigenen Rhythmus.

Wenn ich so recht überlege, hatte ich eigentlich keinen Grund schlechte Laune zu verspüren. Ich saß an einem wunderschönen See, hatte noch 2,5 Wochen Urlaub vor mir und mit ein bisschen Geschleppe konnte ich von hier aus täglich eine Tour starten. Also erstmal die miese Laune beiseite gewischt, ab ins Boot und Fische suchen. Da die Karpfen am ersten See gerade gelaicht hatten und dieser nur unweit entfernt lag, wusste ich genau, wo ich suchen musste. Und tatsächlich: Weit oben im langen Arm des Stausees fand ich eine ganze Menge Fische. Zum Glück hatte ich auf der Erkundungstour auch 2 Ruten dabei und so landete nur eine Stunde später ein runder 18 kg schwerer Spiegler in den Maschen meines Keschers. Der Tag war gerettet und die gute Laune zurück. Von nun an stand ich jeden Morgen früh auf und fuhr die 4-5 km in die Tagangelzone.

Mit harter Arbeit und ein wenig Köpfchen fängt man in wenigen Stunden das, was andere nicht in vier Tagen schafften... 10 Runs am Tag waren drin!

Abends verteilte ich reichlich gutes Futter und fuhr zurück zum Campingplatz. Auf diese Weise konnte ich bis zu 10 Runs am Tag verzeichnen und bei Bedarf vom Campingplatz aus alles regeln, was das Auto betraf. Außerdem angelte ich fernab von anderen Anglern und war immer am Fisch. Was meine holländischen Kollegen in vier Tagen in der Nachtangelzone fingen, hatte ich teilweise in einigen Stunden zusammen. Das motovierte mich natürlich jeden Tag aufs Neue die lange Fahrt anzutreten. Ich fühlte mich wirklich wohl hier. Trotzdem war ich froh, als ich nach langen 10 Tagen endlich mein Auto zurückbekam. Das war mir in diesen 10 Tagen wieder mehr denn je bewusst geworden: Ich liebe es einfach unterwegs zu sein. In den verbleibenden Tagen schaute ich mir noch viel an, beangelte unterschiedliche Seen und fing wunderschöne, wenn auch keine riesengroßen Fische.

In den letzten Tagen versuchte ich für mich ein Resümee zu ziehen, um die Tour nicht nur auf dem Papier, sondern auch in meinem Kopf abzuschließen und zufrieden nach Hause zu fahren. Sieben Gewässer und tausende Kilometer lagen hinter mir. Vor der Tour hatte ich insgeheim mit mehr richtig großen Fischen gerechnet. Ich haderte kurz mit mir. Dann überlegte ich, an welchen Gewässern dies am besten möglich gewesen wäre und wie es mir dort gefallen hatte. Kleine Seen mit mehreren riesigen Fischen sind oft auch bekannt dafür und auch dementsprechend stark frequentiert.

An den großen unbekannteren Stauseen hatte ich meinen Frieden und mein Abenteuer gefunden. Ich war tiefenentspannt und am Ende doch sehr zufrieden mit dieser langen Tour. Ein Traum, den ich mir erfüllt habe und so schnell auch nicht vergessen werde. Viel unterwegs zu sein ist anstrengend und bringt oft auch noch mehr Dinge mit sich, die schief gehen. Dabei muss man einfach eine gewisse Frustrationstoleranz aufbauen und lernen die Dinge positiv zu sehen, Pannen mit Humor zu nehmen und das Beste daraus zu machen. Das ist nicht für jeden etwas. Deshalb ist viel unterwegs zu sein definitiv auch eine Einstellungssache. Für mich ist es aber das Allergrößte und einfach eine Lebenseinstellung.

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Unterwegs zu sein ist für mich das Allergrößte und einfach eine Lebenseinstellung. Denke positiv und meistere Aufgaben, die dir vielleicht den Weg zunächst versperren.

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