Wenn es um das Thema Ruten geht, dann gibt es wohl kaum jemanden, der besser darüber informieren könnte, als Armin Brunner, Produktentwickler der Firma Sportex. Armins langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet hat gezeigt, dass es auf diesem Gebiet – nicht nur bei Neulingen- sondern selbst bei den etablierten Karpfenangel-Veteranen – nach wie vor Aufklärungsbedarf gibt. Dieser Bedarf präsentiert sich als die Kehrseite einiger Halb-Wahrheiten, die gemeinhin kolportiert- und von Manchem blindlings übernommen werden – obwohl sie eben nicht- oder nur teilweise zutreffend sind.
Diese Beitragsreihe hat sich insofern der Absicht verschrieben, dieser nebulösen Gemengelage zum Thema Ruten etwas Struktur und Ordnung zu geben und zur Aufklärung im schwindel-erregenden Dickicht der Ruten beizutragen. Nachdem wir uns im ersten Artikel der Reihe dem Thema der Herkunft und Unterscheidung der LBS- Kennungen- und im zweiten Teil der Beschaffenheit und Aktion verschiedener Rutentypen zugewandt haben, soll es in diesem dritten Teil nunmehr um den Zusammenhang von Preis und Leistung gehen. Wir gut, dass Armin Brunner nicht mit Fachwissen geizt und nach wie vor Rede und Antwort steht.
Hallo Armin. Schön, dass du dir neuerlich Zeit genommen hast, um mit uns über das Thema Ruten zu sprechen. Ich denke, mit den beiden ersten Interviews konntest du schon so manche Frage beantworten und mit Missverständnissen und Vorurteilen aufräumen. Und genau an dieser Schnittstelle setzt nun meine Frage an: Die Frage nach dem Unterschied zwischen preisgünstigen und teuren Ruten? Inwiefern sind etwaige Preisunterschiede gerechtfertigt und wie schlagen sich die Unterschiede in der Qualität der Rute nieder?
Hallo Micha. Gerne doch, ich freue mich, wenn ich meinen kleinen Anteil zur Aufklärung beitragen kann. Mit deiner Fragen sprichst du ein neuralgisches Thema an. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Unterschiede zwischen teuren und günstigen Ruten sind zum Teil erheblich und haben ihre volle Berechtigung im Punkto Preis-/Leistung. Analog zu den verschiedenen Preis-Segmenten, in denen die Ruten angesiedelt sind, sind die Übergänge hierbei fließend.
Woran liegt das? Und wo genau liegen die Unterschiede?
In erster Linie liegen die Unterschiede bei den verwendeten Materialien. Bei günstigen Ruten wird für den Blank meist günstigeres Carbonmaterial mit einer niedrigen Tonnage verwendet oder das Carbon wird mit einem anderen Material vermischt (z.B. mit Glasfasern).
Tonnage? Kannst den Begriff mal etwas genauer erläutern?
Die Tonnage ist der aufgebrachte Druck bei der Herstellung des Blanks. Da bei einer niedrigen Tonnage deutlich mehr Harz (Resin) in der Carbonmatte verbleibt, ist der Blank dann auch meist deutlich dicker, schwerer und somit auch träger als ein Blank mit einer höheren Tonnage (z.B. 30T und höher).
Okay. Es geht hier also um das Thema des aufgebrachten Drucks bei der Herstellung des Blanks. Wenn ich es richtig verstehe, dann muss man bei geringerem Druck umso mehr Harz verwenden, um den Rutenblank zu stabilisieren. Das bedeutet dann aber auch, dass er dicker wird, korrekt?
Ja genau. Un das bedeutet dann eben umgekehrt: Bei der Verwendung von höherwertigem Carbon kann der Blank deutlich schlanker und leichter gestaltet werden. Zudem hat dieser Blank auch eine spürbar bessere Leitfähigkeit (Kraftübertragung) sowie mehr Schnelligkeit und Wurfgenauigkeit. Das Rückstellvermögen solcher Ruten ist insgesamt höher. Hinzu kommt: Die verwendeten Carbonfasern verfügen außerdem über eine vielfach höhere Zugfestigkeit, was dem Blank erheblich mehr Power beim Werfen und im Drill verleiht.
Aufgrund dieser Eigenschaften bekommt man dann auch eine Vorstellung davon, warum diese Ruten in einer (mitunter deutlich-) höheren Preisklasse angesiedelt sind.
Guter Punkt. Welche Faktoren nehmen denn sonst noch Einfluss auf den Preis der Ruten?
Neben den Materialeigenschaften des Blanks wird die Preisgestaltung der Ruten durch weitere Faktoren beeinflusst. Im Falle der teureren Ruten bedeutet das: Die Anbauteile, wie z.B. Rollenhalter, Ringe, Aluminiumteile weisen per se eine bessere Qualität auf. Hinzu kommt, dass auch die Qualität von deren Verarbeitung besser ist. Teurere Ruten werden bei de Herstellung einfach insgesamt mit mehr Detailgenauigkeit versehen.
Das ist einleuchtend. Lieber Armin, bei den von dir aufgeschlüsselten Kriterien kommen die günstigeren Rutenmodelle nicht allzu gut davon. Kaufen die teuren Ruten den günstigeren Modellen wirklich jeden Schneid ab?
Zunächst einmal bedeutet das ja nicht, dass auch die günstigeren Modelle mit einer soliden Verarbeitung und Performance aufwarten würden. Mit Blick auf den Beitrag der Rutenqualität zur Wurfweite ist auch zu bedenken, dass es in vielen Angelsituationen nicht darum geht, neue Rekordweiten zu erzielen. Wenn dieser Aspekt eine weniger wichtige Rolle spielt, dann ist man mitunter auch mit einem günstigeren Modell gut beraten. Ich würde daher den Lesern raten, sich bei der Kaufentscheidung zu fragen, für welchen Einsatzzweck die designierten Ruten vorgesehen sind.
Davon mal abgesehen: Es gibt in der Tat einen Punkt, in dem die günstigeren Ruten sogar den teureren Modellen vorzuziehen sind. Das betrifft den Punkt der Robustheit gegenüber Stößen und Schlägen – etwa beim Transport. Das hängt wiederum mit der eingangs verwendeten Menge des Resin-Harzes zusammen: Durch den höheren Anteil dieses Harzes bei den günstigeren Modellen sind diese unempfindlicher gegenüber etwaigen Beschädigungen.
Welchen abschließenden Rat möchtest du unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Gerade mit Blick auf den Rutenkauf sollte man davon Abstand nehmen, auf die ganz günstigen Modelle zurückzugreifen. Die alte Weisheit „Wer billig kauft, kauft zweimal“ hat hier sicherlich ihre Berechtigung. Im Übrigen zählt als grobe Faustregel: Je teurer die Rute, umso langlebiger ist sie – das betrifft sowohl die größere Ermüdungsfreiheit des Blanks als auch – wie gesagt – den Aspekt geringerer Verschleißerscheinungen der Anbauteile. Für`s Protokoll: Dieser Aspekt verhält sich natürlich relativ zur Frage der Behandlung und Pflege der Rute, sowie der Häufigkeit von deren Einsatz.
Lieber Armin, ich sage neuerlich vielen Dank für deine Beratung zum Thema Ruten. Wir werden uns im nächsten Teil den offen-gebliebenen Fragen zuwenden und spätestens dann wieder voneinander hören.
Immer wieder gerne.
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