Wir freuen uns über einen neuerlichen Beitrag unseres Gastautors Christian Scheller vom ProLine-Team. Dieses mal widmet er sich dem spannenden Thema der spezifischen Anforderungen, die die Jahreszeiten ans Karpfenangeln stellen. Das betrifft, wie Christian schreibt, insbesondere die Wahl des richtigen Futters zur richtigen Zeit. Fürwahr: Frühling, Sommer, Herbst und Winter – wenn es darum geht, seine Angelei bestmöglich auf die jahreszeitlich-variierenden Bedürfnisse unserer anvisierten Schuppenträger abzustimmen, spielt der richtige Boilie – und die richtige Menge davon – eine tragende Rolle, eine Rolle, die über Wohl und Wehe einer Session entscheiden kann. Christian ist überzeugt: Wer bei der Wahl seiner Boilies einige grundsätzliche Überlegungen berücksichtigt und beherzigt, der kann seine Erfolgschancen beträchtlich steigern. Dabei räumt Christian ganz nebenbei mit so mancher Halbwahrheit zum Thema Futter auf, wobei er seine begründeten Erkenntnisse auf seine langjährige Erfahrung stützt. Du hast das Wort, Christian.
Christian Scheller: Allgemeine Überlegungen zu Boilies
Moin moin und ein Hallo an die Leser.
Das Thema Boilie ist und bleibt eine Frage des subjektiven Empfindens eines jeden Anglers. Nichts wird heißer diskutiert als der Köder und das Beifutter. Es wird nie DEN einen Boilie schlechthin geben. Auch, wenn uns mancher unserer Zunft vom Gegenteil überzeugen möchte: „ Bei uns am See läuft nur Strawberry- auf andere Boilies fängst du keine Fische!“ – heißt es da sinngemäß. Sätze wie diese habe ich in meiner anglerischen Laufbahn schon Viele gehört. Trotzdem werden sie nicht dadurch wahrer, dass man sie ständig wiederholt. Ich glaube nämlich nicht an solche Mythen. Nach über 25 Jahren auf der Jagd nach Karpfen kann ich schon ein paar Aussagen treffen, die auf Erfahrungen beruhen. Bis ich vor 5 Jahren zu ProLine gekommen bin, habe ich meine Boilies jahrein, jahraus selber gerollt. Die Erfahrungen aus diesen 20 Jahren decken sich mit den 5 Jahren als Teamangler, der mit industriell-gerollten Boilies fischen geht. Bei einem bleibe ich aber für immer und ewig oldschool! Konservierte Boilies geben mir kein gutes Gefühl. Bei mir gibt es stattdessen Freezerbaits. Punkt, aus und basta!
Aber kommen wir nunmehr zum eigentlichen Thema. Die Leitfrage lautet hier: Welcher Boilie passt zu welcher Jahreszeit? Das kann schon sehr unterschiedlich ausfallen. Hierbei ist nach meiner Auffassung auch zu berücksichtigen, ob Instant oder auf Futterplätzen geangelt wird. Diese Frage wiederum hängt unmittelbar mit den Jahreszeiten zusammen.
Das Frühjahr
Für mich die klassische Zeit für einen Birdfood-Boilie. Dieser funktioniert sowohl instant, also ohne vorzufüttern als auch auf einem Futterplatz. Seine grobe Struktur gewährleistet, dass die Inhaltsstoffe wie beispielsweise Milchpulver, das in einem solchen Boilie üblicherweise steckt, schnell preisgegeben- und die Zutaten gut ausgespült werden. Ein guter Flavour gepaart mit einem Sweetner runden die Sache ab. Ich nutze dafür gerne den Klassiker Scopex aus dem Hause ProLine. Sollte ich im Frühjahr auf einen Futterplatz setzen, mische ich zu einem Drittel Fischmehl-haltige Boilies hinzu, um einen Proteinlieferanten dabei zu haben. Im Frühjahr ist Fingerspitzengefühl bei den Futtermengen angesagt. Zu viel Futter im Wasser ist gerade im Frühjahr oft der Grund dafür, dass die Bissanzeiger schweigen.
Der Sommer
Hier ist es phasenweise oftmals schwierig. Nach der Laichzeit und dem anschließenden großen Fressen, sollte man mit dem Futter ehrlich gesagt sparsam umgehen. Jedenfalls dann, wenn es richtig heiß ist. Je nach Wetterlage kann die Futtermenge aber auch erhöht werden: Aber in den Tiefdruckphasen kann dann auch schon mal die grobe Kelle recht erfolgreich sein. Was für ein Boilie zu dieser Jahreszeit fängt? Einer, der sich deutlich von der breiten Masse unterscheidet. Das ist jetzt umso wichtiger, denn gerade im Sommer ist der Angeldruck am höchsten – fast ein jeder, der ein Brolly besitzt, ist nunmehr am Wasser und angelt. Früher habe ich für diese Zeit recht außergewöhnliche Kombination abgerollt. Ein besonderer Boilie blieb mir dabei in Erinnerung. Es war ein Birdfood Boilie, in dem ich das Milchpulver durch Geflügelprotein ersetzte, wobei ich auf Flavour sowie Sweetner verzichtete und hingegen durch Black Pepper Oil ersetzte. Es war schlichtweg unfassbar, wie viele Fische ich 2016 auf diesen Boilie verbuchen konnte.
2022 kam bei ProLine ein Boilie auf den Markt, der mich sehr an diesen Boilie erinnerte. Meinem damaligen Mix nicht unähnlich, war auch dieser Boilie mit Gegensätzen ausgestattet: Der Sweet Maggot & Cream. Ein süßer-, cremiger Boilie mit einem penetranten Mulberry-Flavour. Der besondere Clou: Es handelt sich hier um einen mit Insektenmehl vollgepackten Boilie, der sich deutlich vom klassischen Kohlenhydrat-Boilie absetzt, der üblicherweise mit den genannten süßen Komponenten kombiniert wird.
Hoher Proteingehalt und süß – das gibt es nicht oft. Der Effekt, den diese Kombination bereits in der Theorie versprach, sollte sich auch in der Praxis einstellen: Was der Boilie über den Sommer 2022 fing ist einfach außergewöhnlich. Dazu kommt seine Fangkraft in Flüssen und Kanälen im letzten Sommer. Dieser Köder hat ab sofort einen festen Platz in meiner Gefriertruhe. Im Sommer verfehlt der Boilie auch beim Instant-Angeln nicht seine Wirkung –vorausgesetzt man sucht und findet die Fische. Wenn das gelingt, genüget meist eine Hand voll Boilies, um zum Erfolg zu kommen. Wichtig hierbei: Die Boilies müssen meiner Meinung zufolge gut verdaulich sein und eine schnelle Darmpassage aufweisen.
Der Herbst
Für mich die Zeit der Futterplätze. Meinen Futterplatz bereite ich bereits ab September vor. Dabei setze ich nunmehr auf Fischmehlboilies – wobei ich die genaue Wahl meiner Köder von der Konkurrenz anderer Angler und ihrer Futterplätze abhängig mache. Das Prinzip: Bei geringer- bis nicht vorhandener Konkurrenz kann mein Fischboilie recht einfach ausfallen. Fischmehl, dazu etwas Milchpulver oder Bierhefe und die entsprechenden Binder erfüllen hier vollkommen ihren Zweck. Sind jedoch mehrere Angler am Start setze ich auf Extrakte sowie weitere hochwertige Zutaten. Für diesen Fall habe ich seit nunmehr 5 Jahren einen treuen Boilie-Begleiter an meiner Seite. Der NG Squid. Dieser kommt mit einer ordentlichen Portion Fischmehl daher und wird durch Squidmehl, Spirolina und GLM ergänzt. Diesen Boilie lediglich als „solide“ zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung, denn diese Mischung hat schon einige dicke Fische auf die Matte gelegt – nicht nur bei mir. Ein Beispiel: Als wir uns mit dem NG Squid einen Futterplatz an einem Szenegewässer aufgebaut hatten, konnten ein guter Freund ich als einzige Angler über Wochen hinweg Fische fangen. Solche prägenden Erfahrungen bestärken die Entscheidung, bei hoher Konkurrenz auf hochwertige Fischmehlboilies zu setzen.
Einige Bemerkungen zur Futtermenge im Herbst: Auch hierbei ist weniger oft mehr. Einfach immer mehr Futter einzubringen als die anderen ist hingegen nicht zielführend. Mit Bedacht zu füttern und die Akzeptanz des Futters mit der Unterwasser-Kamera zu überprüfen sind hier der Königsweg.
Futterplatzangeln hin oder her – auch im Herbst kann sich ein Instant-Ansitz bezahlt machen. Man bedenke: Bis zu Wassertemperaturen um die 12 Grad sind die Fische aktiv unterwegs. Sich bei einem ordentlichen Herbststurm in den Wind zu setzen, großflächig Boilies zu verteilen und attraktive Köder zu nutzen kann hier ebenso sehr zum Erfolg führen. Pop Ups über einer Mischung aus NG Squid und Scopex bringen dann häufig Fische.
Der Winter
Lange habe ich für diese Jahreszeit nach einem passenden Boilie gesucht – viel habe ich probiert und oft bin ich gescheitert. Ehrlich gesagt habe ich es auch jahrelang nur sporadisch im Winter versucht. Mehrfach habe ich es mit sehr weichen und gut löslichen Boilies versucht. Oft habe ich davon gelesen und gehört, aber den durchschlagenden Erfolg hatte ich damit auch nicht. Ein Mix, der daran etwas ändern sollte, war zunächst nicht in Sicht. Aber meine Beharrlichkeit bei der Suche sollte endlich Abhilfe schaffen: Der Zufall hat mich schließlich zu einem Boilie geführt, den Ihr in unseren „Golden Oldies“ findet. Den Crunchy Belachan & Krill. Ich habe oft Futterplätze aus dem Herbst bis tief in den Winter – sogar bis nach Weihnachten – aufrecht erhalten und festgestellt, dass die Fische auch bei kaltem Wasser hochwertige Fischmehlboilies fressen. Nur sind eben die Zeitfenster in denen die Fische dies tun, recht kurz. Das steckt eine Gratwanderung ab: Durch einen hohen Proteingehalt sättigen wir die Fische im Winter somit lange und unsere Chancen werden kleiner. Die Lösung für mich: Ich wollte also einen Boilie mit tierischen Proteinen, aber nicht zu hohen Nährwerten. Dafür der Crunchy Belachan & Krill die perfekte Wahl.
Der Erfolg gibt dem Köder recht: Seit einigen Jahren beweist er innerhalb des deutschen Pro Line Teams, was er in dieser kalten Jahreszeit kann: Fische fangen und das sehr konstant.
Die Frage, ob sich Instant-Angeln auch im Winter lohnen kann, steht und fällt mit den Wetterumständen. Meine diesbezüglichen Erfahrungen sind mit dem Wind gepaart. Je mehr Wind, desto besser: Ein Wintersturm, bei dem der ein oder andere Ast von den Bäumen kracht, schafft beste Voraussetzungen für einen Instant-Versuch. Solid Bags mit ein paar gecrushten Boilies und Liquids tun jetzt ihren Dienst. Hierbei setze ich auf Farben und bringe unseren Juicy Pineapple oder den Magic Mango ins Spiel. Das Ganze ist übrigens sehr ökonomisch: Jeweils eine Tüte mit einem Kilo reichen für den ganzen Winter. Als Gewässer empfehle ich dann kleinere Gewässer. Die Chance, dass eines eurer Solid Bags von den Fischen gefunden wird ist dann deutlich größer.
Auf einen Blick – Meine Boiliewahl nach Jahreszeiten
Als kurze Zusammenfassung kann man Folgendes sagen: Im Frühjahr setze ich ich auf einen Birdfood-Boilie. Im Sommer ist die Maßgabe der Boilieauswahl anders zu angeln, als die breite Masse. Im Herbst wollen die Fische Proteine – da ist ein Fischmehlboilie genau richtig. Im Winter sind tierische Proteine im Boilie auch ein Garant für Fänge – die Proteine sollten allerdings niedriger dosiert sein.
Ich hoffe, euch damit nunmehr ein paar Entscheidungshilfen an die Hand gegeben zu haben. Damit ist auch der bescheidene Anspruch an diesen Artikel benannt: Wenn jemand von euch durch meine Einblicke und Erfahrungen ein paar Erkenntnisse gewinnt und bestenfalls ein paar (mehr) Fische fängt, bin ich vollends zufrieden.
Bleibt hart am Fisch
Christian Scheller